Rezension von Dr. Andreas Brenne zu: Richter, Heidi, Peez, Georg (Hg.): Kind – Kunst – Kunstpädagogik. Beiträge zur ästhetischen Erziehung. Festschrift für Adelheid Sievert zum 60. Geburtstag im Februar 2004. Frankfurt am Main / Erfurt (Books on Demand) 2004 |
Der Name von Adelheid Sievert (Staudte) verbindet sich nicht nur mit den vielfältigen Entwicklungen der Fachgeschichte der letzten 30 Jahre, die sie begleitet und mit zahlreichen Impulsen versehen hat, sondern auch mit einer grenzüberschreitenden Kunstpädagogik, die Bezüge von der allgemeinen Pädagogik und Lernpsychologie, bis hin zu den Kunst- und Kulturwissenschaften herzustellen weiß.
Anlässlich ihres 60. Geburtstages erschien nun eine Festschrift, in der sich zahlreiche WegbegleiterInnen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen diesbezüglich zu Wort melden. Es handelt sich um ein Kompendium, das ein fassettenreiches Bild der gegenwärtigen Kunstpädagogik/didaktik zeichnet. Das Buch besteht aus drei Themenkomplexen, die gleichzeitig die vielfältigen Forschungen Adelheid Sieverts repräsentieren.
Im ersten Teil wird der fachdidaktischen Frage nach einer ästhetischen Erziehung und Bildung in schulischen und außerschulischen Lernorten nachgegangen. Ästhetische Erfahrung ist hier als eine Verknüpfung von Sinnlichkeit, Kreativität und Vernunft zu verstehen; d.h. dass erst durch Reflexion aus einer sinnlichen Empfindung eine Erfahrung entsteht. Dies bedeutet, dass die ästhetische Dimension der Wahrnehmung auf das engste mit der inhaltlichen Bedeutung des Wahrgenommenen verbunden ist. Die daraus erwachsenen Erkenntnisse sind sowohl für die allgemeine Pädagogik als auch für die Kunstpädagogik gleichermaßen bedeutsam. Das dementsprechende Prinzip „des Lernens mit allen Sinnen“ wurde von Adelheid Sievert maßgeblich eingeführt und entwickelt. Die in diesem Kontext zu verortenden Beiträge sollen dem Leser diesbezügliche pädagogische Szenarien vor Augen führen und ihn zu einer eigenen Praxis der ästhetischen Selbst- und Weltaneignung ermutigen.
Im zweiten Teil der Festschrift, wird den unterschiedlichen Dimensionen ästhetischen Verhaltens von Kindern und Jugendlichen in schulischen und außerschulischen Kontexten nachgegangen. Darunter sind vielfältige Wahrnehmungstätigkeiten produktiver und reflexiver Natur zu verstehen. Signifikant scheint hierbei, im Unterschied zum Erwachsenen, die Unmittelbarkeit und Intensität kindlicher Auseinandersetzung mit Weltphänomenen zu sein. Phänomenologisch weist dieses Verhalten eine Nähe zu künstlerischen Zugängen auf, die Dinge und Erscheinungen kultureller und natürlicher Realität untersuchen.
Der abschließende dritte Teil widmet sich der Gender-Thematik, die seit den frühen 90er Jahren die kunstpädagogische Diskussion nachhaltig geprägt hat. Zu erwähnen sind hier die von Adelheid Sievert maßgeblich initiierten Tagungen zur „FrauenKunstPädagogik“, die 1990 in Frankfurt ihren Ursprung fanden, und mittlerweile zu einer festen Institution der kunstpädagogischen Diskussion gehören.
Diese Festschrift ist ein wichtiger Beitrag zum fachlichen Diskurs, der durch seine vielschichtigen Texte nicht nur die Fachgeschichte aufarbeitet, sondern auch die ganze Bandbreite der Kunstpädagogik mit all ihren Berührungspunkten und Schnittmengen zukunftsweisend aufzufächern weiß – ganz im Sinne von Adelheid Sievert.
Andreas Brenne
erschienen in: Kunst+Unterricht Heft 282 / 2004, S. 45