Rezension von Dr. Fritz Seydel zu: Evaluation ästhetischer Erfahrungs- und Bildungsprozesse. |
Der Bedarf an forschungsmethodischer Kompetenz hat für die Kunstpädagogik in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Das Interesse an der Nutzung qualitativ empirischer Verfahren ist gewachsen. Georg Peez war im Jahr 2000 mit dem Buch „Qualitative empirische Forschung in der Kunstpädagogik“ einer derjenigen, die den Anstoß im Fach dafür gaben. Jetzt hat er weitere Forschungserfahrungen in einem Band zusammengetragen.
Es lohnt sich, dieses Büchlein gleich zwei Mal zu lesen. Zunächst ist es als eine Einführung in ausgewählte, qualitativ empirische Verfahren für die kunstpädagogische Wirkungsforschung (Evaluation) zu nutzen. Die von Peez hier vorgestellten forschungsmethodischen Varianten eignen sich bereits für kleinere Forschungsprojekte, etwa von Studierenden. Unterhalb der umfassenden teilnehmenden Beobachtung oder der umfangreichen narrativen Interviews führt er fundiert, zugleich praxisorientiert und sehr gut verständlich in fokussierte Leitfadeninterviews, in Fallstudien oder Gruppendiskussionsverfahren ein. Dafür vermittelt er die Grundhaltung des qualitativ empirischen Forschungsansatzes: Die Erkenntnis ist mit Hilfe des Blicks auf die Details zu gewinnen, aus der „interpretativen Rekonstruktion alltäglicher, lebensweltlicher Relevanz- und Sinnsysteme“ (S. 10). Auf den vermessenen Anspruch, „das“ Allgemeine, gar „Richtige“ aus einer quantitativ erhobenen Datenmenge erklären zu können, wird dabei verzichtet.
Dies bedeutet: Im Buch wird nicht „über“ das ästhetische Verhalten Heranwachsender berichtet. Sondern qualitative Forschung nimmt die eigenen Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen ernst. „Auf den ersten Blick möglicherweise banal klingende Aussagen können sich bei näherer Betrachtung als sehr gehaltvoll erweisen.“ (S. 60) Das führt zu einem zweiten Strang, der sich durch den Text zieht: Es werden Ergebnisse aus der Begleitforschung des Modellprojektes „Multisensueller Kunstunterricht unter Einbeziehung der Computertechnologie“ in Form von Fallbeispielen vorgestellt. So lässt sich das Buch über die forschungsmethodischen Einführungen hinaus auch als Argumentation zur Wirkung kunstpädagogischer Arbeit lesen. Was ist es eigentlich, das sich positiv auf die Entwicklung des ästhetischen Lernprozesses beim Arbeiten an Stationen in werkstattorientiertem Unterricht auswirkt? Wie äußert sich geschlechterspezifisch unterschiedliches Verhalten im Umgang mit digitalen Medien im Kunstunterricht? Woran lässt sich festmachen, dass ein Junge in seinem Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozess tatsächlich ästhetische Erfahrungen macht?
Hier liegt ein forschungspraxisnahes und sehr empfehlenswertes Buch vor, das gleich zwei Mal ins Regal all derjenigen gehört, denen qualitativ empirisch begründete Impulse zur Weiterentwicklung der Kunstpädagogik ein ernstes Anliegen sind.
Fritz Seydel
in: BDK-Mitteilungen 2 / 2005, S. 46