Rezension von Dr. Wolfgang Zacharias zu: Johannes Kirschenmann / Georg Peez (Hg.): Computer im Kunstunterricht – Werkzeuge und Medien. Donauwörth (Auer Verlag) 2004 |
Mit Computer Kunst und Schule machen
Der Untertitel ‚Werkzeuge und Medien‘ signalisiert, dass Computer zunächst eben einfach Instrumente, Werkzeuge sind, dass aber Computer auch ‚Medien‘ sind bzw. ‚Mediales‘ hervorbringen: In einer bestimmten Weise technisch und ästhetisch gestaltete Informationen auf der digitalen Basis 0/1. Das ist das sehr allgemeine und folgenreiche Thema von neuer Medienkultur, der Mediengeneration einer ‚Netzwerkgesellschaft im Informationszeitalter‘ entsprechend technologischer Veränderungsdynamik: Medienumbrüche. Und was das dann alles für Kunst- und Lebenswelten, Sinneswahrnehmung und kulturell-künstlerisches Gestalten bedeutet, z. B. im Fokus des ‚Ästhetischen‘ und seiner aktivierenden Inszenierung, Vermittlung von Alltag bis art world, bildend: Darum geht es dann auch im Kunstunterricht, sicher zunehmend.
Die vorliegende Veröffentlichung spitzt eben diese Fragestellung spezifisch anwendungsorientiert, aber durchaus hoch reflektiert im Allgemeinen, zu: Auf Schule, Kunstunterricht, Bildgestalt und die gymnasiale Sekundarstufe und immanent auch darauf, wo dann ausreichende professionelle (kunst-) pädagogische Kompetenz (paedware) sowie technische Ausstattungen (Hard- und Software) auf einem einigermaßen zeitgemäßen Niveau vorhanden sind. Denn viele Kinder und Jugendliche, und nicht nur entsprechend gymnasialer Klientel sind oft schon da, wo Schule technisch-medial eben noch gar nicht angekommen ist.
Umso wichtiger die motivierende Beispielhaftigkeit dieser Veröffentlichung mit über 20 hervorragenden und variantenreichen Projektbeispielen sowie einigen Basistexten in Sachen Kunst und neue Medien, digitale Ästhetik und Bildbearbeitung, die allgemein gültig weit über Schule und Unterricht hinausgehen, einleitend z. B. die Texte der Herausgeber Johannes Kirschenmann (‚Über historische und aktuelle Bildmedien‘) und Georg Peez (‚Alles Medien, oder was?‘). Denn, so heißt es im Vorwort: „In jedem Fall ist der Computer sowohl aus dem Alltag der Kinder und Jugendlichen als auch aus dem heutigen Kunstunterricht nicht mehr wegzudenken.“ (S. 5) Das ist die selbstverständliche und begründende Perspektive, das Lernziel ‚kulturell-ästhetische Medienkompetenz‘, die insbesondere neben der technischinstrumentellen Computeranwendung (‚Werkzeug‘) vor allem das ‚Mediale‘ selbst als je spezifische Form und als Inhalt der Vermittlung meint. Es geht sozusagen um die ‚mittelbare Kommunikation‘, den ’schönen digitalen Schein‘, das Phänomen eines ‚iconic turns‘, also die Aufwertung des Bildnerischen, der visuellen Wahrnehmung und Gestaltung in Alltag und Wissenschaft: Von Digitalfoto über Video bis Internet.
Aktuelle Medienkompetenz besteht in guten Teilen aus ‚Bildkompetenz‘. Die Projektbeispiele aus dem Sekundarstufen- Kunstunterricht, schulischen Medien- und Kunst-AGs deklinieren die Möglichkeiten durch, mit anregenden Titeln (und entsprechenden Bildmotiven im Buch): ‚Dada digital‘, ‚Fantasiereise – intergalaktischer Sternenstaub auf Festplatten‘, ‚Ware Schönheit‘, ‚Wer bin ich‘, ‚Scherereien mit dem Computer‘, ‚Daumenkino digital‘, ‚Treppentreffen‘, ‚Softimage‘, ‚Wer wird Mister Art?‘
Weitere Themen und Anwendungen betreffen Kunstgeschichtliches, umweltbezogene Themen, Recherchen, Bildinterpretationen und Wissensgestaltung – klar: Es geht dabei immer um einen
Mix aus ‚content‘ (Inhalt) und ‚Mediengestaltung‘ (Form) – in der Regel navigierend, ordnend und sammelnd, transformierend und transzendierend mit bildbearbeitenden digitalen Programmen, Verfahren, Strategien. Dass aktuelle Kinder- und Computerspielkulturen Bezug und Horizont kunstpädagogischer Interventionen sein können, zeigt Johannes Kirschenmann: „So kann Kunstunterricht zur Chance werden, aus der Distanz gegenüber dem Spiel(en) im jugendkulturellen Milieu die ästhetische Formatierung bis hin zu ihrer Bildpragmatik zu deuten.“ (S. 161) Das wär’s, nah dran. Analoges gilt für Musikvideoclips (S.176). Natürlich geht es dann auch um neue Formen von ‚Kunst und Medien‘, um Medienkunst als bildenden Bezug: Tanja Wetzel, Birgit Richard und Jürgen Stiller thematisieren dies, mit Verweis auf unterrichtspraktische Anwendungen.
Der Medienphilosoph Norbert Bolz – dessen Beitrag durchaus ‚überhöhend‘ etwas aus dem kunstpädagogischen Rahmen fällt – formuliert legitimatorisch sozusagen im ganz großen Format, und man könnte hier gleich Schillers ‚Briefe zur Ästhetischen Erziehung‘, Wolfgang Welschs ‚Künstliche Paradiese‘ im ästhetischen Denken herbeizitieren, wenn es heißt: „Schönheit ist ‚manifestierte Kontingenz‘, die durch ‚innere Notwendigkeit‘ überzeugt (…). Dazu muss Kunst ein Werk aus der Empirie abstrahieren, selbst erfundene Formen variieren und den Beobachter zum Formenspiel verführen. Immer dann, wenn dies gelingt, lenkt die Kunst unsere Aufmerksamkeit von den Ablenkungen des Alltags ab. Sie bricht die ‚Normalverweisungen‘ und zeigt, dass die Welt nicht notwendig so ist, wie sie ist. Schönheit ist dann der Name für den Eindruck: das Kunstwerk ist notwendig, nicht die Welt! Die Welt ist nicht genug.“ (S. 142) Das liest sich gut, aber nicht allzu alltagstauglich im kunstpädagogischen Geschäft.
Es sind die alten und wieder neuen Verheißungen und Versprechungen des ’schönen digitalen Scheins‘, pro und contra. Abschließende Hinweise auf ‚Kunstlinks‘ und auf Software, Share- und Freeware helfen weiter.
Insgesamt eine gute Übersicht, Medienbildung exemplarisch anregend auch über Sekundarstufe, Kunstunterricht und Schule hinausweisend: So geht’s …
Wolfgang Zacharias
erschienen in: Infodienst – Kulturpädagogische Nachrichten, Nr. 74, Dez. 2004/ Jan. 2005, S. 55
und BDK INFO, Zeitschrift des Fachverbandes für Kunstpädagogik in Bayern 4/ 2004, S. 56f.