Rezension von Edith Glaser-Henzer (Fachhochschule Aargau, Schweiz) zu: Peez, Georg: Einführung in die Kunstpädagogik (Reihe „Grundriss der Pädagogik“), Stuttgart (Kohlhammer Verlag) 2002 |
Wie an einem roten Faden wird man in diesem Taschenbuch durch das Spannungsfeld zwischen Pädagogik und Kunst als einer zentralen Frage auch der Fachdidaktik Bildnerische Gestaltung geführt.
Georg Peez zeigt unterschiedliche Facetten des Verhältnisses zwischen Kunst und Pädagogik auf, indem er seine Ausführungen mit prägnanten Beispielen aus der zeitgenössischen Kunst veranschaulicht (Kap.1). Dieses Veranschaulichen ist eine der Stärken dieses Buches, es erleichtert das Mitdenken und das Verbinden von Gedanken mit bekannten Bildern oder mit bildhaften Vorstellungen.
Zwischen Nutzung von Kunst für Lehr- und Lernprozesse und dem Nicht-Vermittelbaren an der Kunst liegt ein weites Feld, auf welchem sich verschiedene Konzeptionen von Kunstpädagogik und Mythen der Kunsterziehung entwickelten und weiter entwickeln. In diesem Zusammenhang ist das Buch ‚Einführung in die Kunstpädagogik‘ anregend und klärend, auch für die sehr ähnliche Situation in der Schweiz, wo das Fach Bildnerische Gestaltung genannt wird. Es wird ein reichhaltiges Bild von den Inhalten und den komplexen Sinngehalten dieses Faches vermittelt. Verschiedene Positionen werden erläutert und durch die Einbettung in den geschichtlichen und gesellschaftlich-kulturellen Kontext werden Entwicklungen und Wertsetzungen einsehbar (Kap.2 und 3). Die Differenzen eines pluralen Fachverständnisses finden im Begriff der ästhetischen Erziehung einen gemeinsamen Nenner. Diese Konzepte zielen auf planbare Einwirkungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen und „thematisieren die didaktisch zu begründenden, absichtsvollen Handlungen von Lehrenden, das Unterrichten oder das Arrangieren von Erfahrungs- und Lebenssituationen“.
Das Fach Kunstpädagogik oder Bildnerische Gestaltung schliesst Verfahren der Rezeption von bildnerischen Werken oder ästhetischen Objekten, sowie das eigene bildnerische Tun, das Machen und Herstellen ein. Die profunde Kenntnis des Autors von fachlichen, schulischen und ausserschulischen Praxisfeldern prägt die substantiellen Beiträge in Kap.4 und 5. An den Beispielen des Zeichnens und des Formens und Gestaltens mit Ton werden das Gemeinsame einer bildnerisch-ästhetischen Praxis, aber auch unterschiedliche Facetten dieser Arbeitsweisen und Medien erörtert. Mit den Ausführungen zur Erweiterung des Faches durch digitale Medien wird deutlich, dass wir es dabei nicht bloss mit einem neuen Werkzeug zu tun haben. Am Beispiel des rezeptiven und produktiven, intuitiven und reflektierten Umganges mit Hypertexten beurteilt der Autor die Charakteristik des Digitalen viel grundsätzlicher als neue Kulturtechnik, denn diese „verändert Wissensaneignung, Kommunikations- und Lernformen bis hin zu Denk- und Handlungsprozessen“ (Kap.2.7). Die digitalen Medien prägen die ästhetischen Erfahrungs- und Weltzugangsweisen der Schülerinnen und Schüler einschneidend. Daraus erwachsen für das Fach Bildnerische Gestaltung neue Aufgaben, die es wahrzunehmen gilt und für welche auch günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.
Im weiteren werden Berufsfelder von Kunstpädagogen und -pädagoginnen vorgestellt und die Perspektive von der Institution Schule auf zusätzliche Praxisfelder und Zielgruppen erweitert, eine Veränderung, die auch in der Schweiz an Bedeutung gewinnt.
Interessant sind die Ausführungen über das bildnerisch-ästhetische Lernen und die Methodenaspekte des Faches (Kap.6). Als Lehrpersonen pendeln wir oft zwischen zwei Positionen: dem Nachahmen, Verwenden von Vorlagen, sich Orientieren an Konventionen – gegenüber der Betonung des Intuitiven, Schöpferischen, Kreativen und Spontanen. Georg Peez gelingt es, aus einer eher distanzierten, unvoreingenommenen Perspektive diese Verfahren und Methoden zu beurteilen und ihren je spezifischen Beitrag zum Lernen, ihre Grenzen und Chancen herauszuschälen.
In einem eigenen Kapitel wird auf Informationsquellen und Adressen von Berufsverbänden über Forschungseinrichtungen bis Zeitschriften und Unterrichtsmaterialien hingewiesen. Wer sich aufgrund des Überblicks in eine Thematik vertiefen will, findet am Schluss des Buches ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Die Lektüre ist so konzipiert, „dass ein selektiver Einstieg für Lesende mit jedem Kapitel möglich ist, um von hieraus – ähnlich dem Hypertextprinzip – eigene Wege durch die Seiten zu finden“, wie der Autor selbst im Vorwort schreibt. Als geradezu erfrischend empfinde ich die verbale Klarheit und Verständlichkeit der Texte. Georg Peez ist bereits vielen Lehrpersonen in der Schweiz bekannt als kompetenter Dozent im Nachdiplomstudiengang „Fachdidaktik Kunst und Gestaltung“ an der Universität Bern 1999-2002.
Das Buch ‚Einführung in die Kunstpädagogik‘ eignet sich ausgezeichnet als Grundlagenlektüre für Studierende und kommt in der aktuellen Aufbauphase der schweizerischen Pädagogischen Hochschulen wie gerufen, weil Vergleichbares bei uns bisher fehlt. Darüber hinaus bietet das Buch einen profunden und aktuellen Überblick über die Forschungsfelder und -methoden des Faches, womit u.a. eine wertvolle Ausgangsbasis für die neuen Aufgaben der Dozierenden im Bereich Forschung und Entwicklung gelegt wird.
Edith Glaser-Henzer
erschienen in: Beiträge zur Lehrerbildung, Zeitschrift zu Theorie und Praxis der Grundausbildung, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern (Schweiz), Heft 3 / 2002, S. 411-412