Rezension von PD Dr. Hannelore Bastian zu: Georg Peez: „Ich möchte Nebel malen lernen.“ Theorieelemente erfahrungsoffenen Lernens in der kunstpädagogischen Erwachsenenbildung. Frankfurt a. M. (Dipa Verlag) 1994 |
Mit diesem Buch legt ein langjähriger Praktiker der „kunstpädagogischen Erwachsenenbildung“ seine Dissertation vor, in der er die Reflexion seiner Unterrichtspraxis in Mal- und Zeichenkursen mit der Rezeption von Theorieansätzen und Forschungsergebnissen aus der allgemeinen Didaktik der Kunstpädagogik, der Erwachsenenbildung, der Freizeitpädagogik und der Psychologie verbindet. Entstanden ist dabei eine umfangreiche Arbeit, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die „Diskrepanz zwischen der großen Anzahl angebotener Kunstkurse auf der einen Seite und der geringen Zahl didaktischer Literatur zu diesem Thema auf der anderen Seite“ zu verringern (S. 11). Die Position des Autors, die er selbst mit dem Stichwort „erfahrungsoffenes Lernen“ kennzeichnet, basiert auf der Grundüberzeugung, daß Erwachsene prinzipiell als „Souveräne ihrer Lernprozesse“ anzuerkennen seien, unabhängig davon, ob ihre ästhetischen Vorstellungen mit denen der Kursleiterinnen übereinstimmen oder ihnen widersprechen. Die allen PraktikerInnen vertraute Tatsache, daß gerade letzteres häufig der Fall ist, führt Peez analytisch auf die gesellschaftlich wie subjektiv verschiedenartige Bedeutung von Kunst und „Laienkunst“ im Leben bildnerisch tätiger KünstlerInnen und FreizeitmalerInnen zurück und fordert die wechselseitige Anerkennung dieser Erfahrungswelten als notwendige Basis für die Initiierung selbstbestimmter Lernprozesse. Dies ist ein interessanter Ansatz für die kulturelle Erwachsenenbildung, die sich – in der Theorie wie in der Praxis – immer noch schwertut, Teilnehmerwünsche zu akzeptieren, die sich „an heutigen bürgerlichen Idealen und Werten sowie teilweise an den Inhalten und Formalien traditioneller Hochkunst und an der naturalistischen Darstellungsweise orientieren“ (S. 60). Peez hält dabei durchaus fest an einer Bildungsidee, die auf die subjektiv bedeutsame Erweiterung der bisherigen Erfahrungsbestände und auf die Erschließung neuer Entwicklungsperspektiven für den einzelnen setzt. Seine theoretischen Reflexionen und die anschauliche Schilderung von Praxisbeispielen über die Entwicklung von KursteilnehmerInnen hin zu eigenständiger Gestaltung jenseits festgelegter Klischees umreißen sehr konkret didaktische Perspektiven, die den Bedürfnissen sowohl nach angeleitetem als auch nach selbstgesteuertem Lernen gerecht werden. Beide Formen legitimieren sich aus ihrem Beitrag im biographisch verankerten Prozeß der bildnerischen und persönlichen Bildungsinteressen. Offen bleibt, wie die hohen und komplexen Anforderungen an die Qualifikation der LeiterInnen zur Realisierung des beschriebenen erfahrungsoffenen Lernens erworben werden können, deren beruflicher Herkunft und Motivation zur Arbeit in der Erwachsenenbildung ein ausführliches Kapitel gewidmet ist. Insgesamt liegt also ein anregendes Buch vor, dessen Lektüre jedoch zeitweilig durch die große Bandbreite der rezipierten Literatur (die immer wieder an die Funktion der Arbeit als Dissertation erinnert) etwas mühselig ist und Redundanzen mit sich bringt, weil der Autor die zahlreichen referierten Ansätze immer wieder an seinen Kategorien mißt und sich dabei letztlich in seinen Schlußfolgerungen wiederholt: Hier empfiehlt sich selektives Lesen.
erschienen in: Report. Literatur- und Forschungsbericht Weiterbildung, Nr. 35, Juni 1995, S. 109
Quelle: http://www.report-online.net/recherche/einzelhefte_inhalt.asp?id=175