Rezension von Prof. Dr. Wolfgang Zacharias zu: Peez, Georg (Hg.): Kunstpädagogik und Biografie. 52 Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern erzählen aus ihrem Leben. Professionsforschung mittels autobiografisch-narrativer Interviews. München (kopaed) 2009 |
Kunstpädagogische Lebensläufe
Über 50 Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer berichten, warum und wie sie zu diesem Beruf kamen und wie sie dies im Rückblick bewerten – in der Spannung von Kunst und Pädagogik, freiem Leben und Existenzsicherung, Lust an Kunst und Kindern, Ambivalenz zwischen Schulstruktur und kulturell-künstlerischen Lebenswelten; nachzulesen in Einzelfallstudien, im O-Ton und in zusammenfassenden Interpretationen.
Ausführlich werden in diesem Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen einleitend Forschungsfragen, methodisches Design sowie Auswertungsverfahren erörtert und begründet.
Die Vielfalt der biografischen Wege, Motivationen und Akzentuierungen ist spannend, denn der Kunstbezug ist sehr komplex und der pädagogische Weg in die Schulpraxis ist in vielen Fällen mit Unvorhersehbarem und Unwägbarem verbunden. Immer wieder werden Schlüsselerlebnisse, Begegnungen, biografische Irritationen und Korrekturen, Fragen von Talent und Suchbewegungen in jungen Jahren benannt. Verallgemeinert erweisen sich als besonders bedeutsam für den Berufsweg: Familie, Eltern und Geschwister, Milieu, Begabung, eigene kunstpädagogische Vorbilder, Studienzeit, das Verhältnis zur Kunst, die eigene künstlerische Tätigkeit oder die Ambivalenz gegenüber der Institution Schule. Originale Kurzzitate als Überschriften zu den Einzelinterviews ergeben einen anschaulichen Überblick über die Vielfalt der Lebensläufe: „Ich bin irgendwie ein freiheitsliebender Mensch.“ „Zwischen Revolution und Restauration.“ „Manchmal erreiche ich auch in der Hauptschule einen kleinen Erfolg.“ „Aber Kunstlehrerin wollte ich eigentlich nie werden.“ „Ich muss mit Menschen zu tun haben.“ Eine schöne polyvalente Motivbeschreibung von Kunstpädagogik aus biografischer Sicht!
Für Kunstlehrerinnen und -lehrer ist dieses opulente Buch wie ein Spiegel, ein spannendes Kaleidoskop zur selbstreflexiven Erinnerung und Identitätsvergewisserung.
Für die kunstpädagogische Profession ist es ein ambitionierter und wichtiger Schritt in Richtung wissenschaftlicher Qualifizierung von Studium und Ausbildung. Eine besondere forschungsmethodische Anregung daraus: Die Interviewten sollten als „visuellen Impuls“ einen Gegenstand mitbringen. Dies ist durchaus ein hoch qualifizierter Beitrag zu einer eigensinnigen Wissenschaftsmethodik im Horizont kunstpädagogischer Forschung.
Wolfgang Zacharias
erschienen in: Kunst+Unterricht, Heft 339/340 2010, S. 60