Rezension von Ruth Kunz zu: Peez, Georg (Hg.): Handbuch Fallforschung in der Ästhetischen Bildung / Kunstpädagogik. Qualitative Empirie für Studium, Praktikum, Referendariat und Unterricht. Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengehren) 2007 |
Überblick zu aktuellen kunstpädagogischen Forschungsmethoden
Das Handbuch, herausgegeben von Georg Peez, versammelt unter dem Blickwinkel qualitativ-empirischer Forschungsmethoden eine Reihe von Studien zu kunstpädagogischen Fragen. Dabei werden Methoden traditioneller Wissenschaftspraxis nicht unhinterfragt übernommen, sondern auf die jeweilige Situation adaptiert, so dass der Leser an exemplarischen Fallbeispielen mitvollziehen kann, wie Methode und Gegenstand interagieren. Dies macht die Publikation auch für Studierende verständlich und gibt darüber hinaus einen Einblick in die noch junge Geschichte fachimmanenter Forschung.
Das Buch ist in drei Bereiche gegliedert:
Im Zentrum der Wirkungsforschung stehen durch Unterricht initiierte ästhetische Prozesse. Andreas Brenne, welcher der künstlerischen Feldforschung die Methode der „grounded theory“ (Glaser/Strauss 1969) an die Seite stellt, ist sich des Rollenkonflikts forschender Kunstpädagogen bewusst. Aus diesem Grund erachtet er das Konzept der „grounded theory“ geradezu prädestiniert für seine Arbeit: indem eine anfänglich offene Struktur mehr und mehr zu einem vielschichtigen Gefüge verdichtet wird, kommt dieser Ansatz künstlerischen Denk- und Vorgehensweisen nahe und mindert den Konflikt zwischen den sozial divergierenden Systemen von Kunst und Wissenschaft.
Neu und beachtenswert sind auch die beiden Projekte von Hubert Sowa und Ulrike Stutz, die sich vor allem auf performative Momente im ästhetischen Handeln konzentrieren und das Responsive betonen. In beiden Arbeiten steht die Entwicklung von Fähigkeiten zur Selbst- und Fremdwahrnehmung im Zentrum: sie erforschen Unterricht, der mit Hauptschülern, bzw. einer Gesamtschulklasse realisiert worden ist und sich – was die Akzentuierung der interkulturellen Dimension betrifft – auch auf ausserschulische Handlungsfelder ausdehnen liesse. Während sich Hubert Sowa auf eine Auseinandersetzung mit phänomenologischer Hermeneutik stützt und neuere Beiträge zu einer ästhetische Bildtheorie und Theaterarbeit heranzieht, führt Ulrike Stutz ihre Untersuchungen entlang der von Bohnsack (2003) entwickelten „Dokumentarischen Methode“. Bohnsacks sozialwissenschaftlich inspirierter Ansatz ist insofern interessant, als er Elemente wie das „Sehende Sehen“ (Imdahl1988) aufgreift und zu integrieren versucht. Damit kommen sowohl Inhalte als auch formale Strukturierung – das Wie der Äusserungen – ins Spiel und machen die Komplexität schulischer Arbeiten erfahrbar.
Da an dieser Stelle nicht alle Artikel referiert werden können, sei auf einzelne im Netz zugängliche Darstellungen hingewiesen: Hans-Jürgen Boysen-Stern (www.netzspannung.org) oder Christine Heil (www.iaekb-flensburg.de).
Im Kapitel ästhetische Praxis und Rezeption wird ästhetisches Handeln an sich erforscht. Hier finden sich Beiträge, welche die Entdeckung des kleinen Kindes focussieren (Laras erste Kritzel) als auch Untersuchungen, die eben diesen „Kritzel“ als digital geschaffenes Bildereignis thematisieren. Während Georg Peez die Entstehung bildnerischer Intentionalität nachvollziehbar macht, erfahren wir in der Studie von Anja Mohr, wie sich im Krikel-Krakel-Bild von Julian (7;7 Jahre) am Computer eine durchaus reflektierte Bildpraxis vollzieht. Da hier explizit Prozesse in den Blick rücken, gewinnen „bildgebende“ Verfahren, die nicht nur Situationen und Atmosphären sondern Zeitlichkeit dokumentieren, an Bedeutung. Foto, Film, Video werden vermehrt zu Erhebungsinstrumenten einer sozialwissenschaftlichen Praxis und es gilt – Bettina Uhlig/Peez und Sandra Setzkorn zeigen dies eindrücklich – bildimmanente als auch kunstwissenschaftliche Methoden weiterzuentwickeln. Wie zeitgenössische Kunst nimmt auch Ästhetische Forschung sich „flüchtiger“ Zustände an und beginnt Bewegung, Tanz, Musik – die Bezüge zwischen Körper und Raum – auszuloten (Kirsten Winderlich, Constanze Rora). Will Kunstpädagogik im aktuellen Bildungsdiskurs bestehen – darin sind sich alle Autoren einig – hat sie sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen und, was sie hervorbringt, einer kritischen Befragung zu unterziehen. Andrea Dreyer und Eva Schmitt beschliessen darum den Band mit einem Blick auf die Profession des Kunstpädagogen. Ihre Beiträge zu den biografischen Beweggründen betreffen Studierende, wie Lehrende gleichermassen. Das Buch sei allen, die sich für den Umgang mit Bildmedien interessieren, nachdrücklich empfohlen!
erschienen in: „ph Akzente“ der Pädagogischen Hochschule, Zürich