Rezension von Sandra Znidar zu: Glaser-Henzer, Edith / Diehl, Ludwig / Diehl Ott, Luitgard / Peez, Georg: Zeichnen: Wahrnehmen, Verarbeiten, Darstellen. Empirische Untersuchungen zur Ermittlung räumlich-visueller Kompetenzen im Kunstunterricht. München (kopaed) 2012

Rezension von Sandra Znidar zu:

Glaser-Henzer, Edith / Diehl, Ludwig / Diehl Ott, Luitgard / Peez, Georg: Zeichnen: Wahrnehmen, Verarbeiten, Darstellen. Empirische Untersuchungen zur Ermittlung räumlich-visueller Kompetenzen im Kunstunterricht. München (kopaed) 2012

Ausgehend von der aktuellen bildungspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Diskussion um Bildungsstandards, widmet sich Edith Glaser-Henzer im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Kinderzeichnung zum ersten Mal der Erforschung räumlich-visueller Kompetenzen sowie deren Niveau-Unterscheidungen im schulischen Kunstunterricht. Die Publikation basiert auf dem nun vorliegenden Abschlussbericht der qualitativ-empirischen Untersuchung, kurz „raviko“ genannt, die Glaser-Henzer mit ihrem Team an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz von Februar 2007 bis Dezember 2010 durchführte.
Das Erkennen von Räumlichkeit auf der Fläche sowie das räumliche Darstellen gelten als zentrale Fähigkeiten und sind neben ihrer kunstimmanenten Bedeutung grundlegend für das Technikverständnis und die Visualisierung komplexer Prozesse, insbesondere in naturwissenschaftlichen, mathematischen und medizinischen Bereichen. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, diese Kompetenzen sowie deren altersgemäße Umsetzung in der zeichnerischen Darstellung vor dem Hintergrund der Entwicklung von Bildungsstandards näher zu bestimmen. Ihr innovativer Charakter besteht dabei in erster Linie darin, statt der alleinigen Fokussierung auf das Endprodukt Kinderzeichnung die räumlich-visuellen Wahrnehmungsprozesse, deren kognitive Verarbeitung und auch die daraus resultierenden Zeichenprozesse in den Vordergrund zu stellen. Ein altersadäquater thematischer Faden („Piraten“) zieht sich dabei durch die durchwegs motivierenden und komplexen Settings, die Wahrnehmungserfahrungen mit unterschiedlichen Sinnen ermöglichen und beispielhaft demonstrieren, wie spielerisch, ganzheitlich und zugleich reflektiert Zeichenprozesse gefördert werden sollten.
Die Publikation von Glaser-Henzer und Team stellt das Forschungsprojekt knapp und präzise vor und zeigt, wie empirisch-qualitative Forschung gestaltet, reflektiert und präsentiert werden kann. Hier eignen sich v.a. die vorbildlich gestalteten Fallstudien hervorragend für die Lehrer/innenfortbildung, um Einblick in die bildnerisch-gestalterischen Denk- und Handlungsweisen von Kindern zu gewähren sowie bildnerische und mentale Verarbeitungsprozesse rekonstruierbar und verständlich zu machen. Auch im kunstpädagogischen Diskurs bietet „raviko“ anregende Impulse für die schulische Zeichenvermittlung in Form von gut nachvollziehbaren didaktischen Settings und Aufgabenstellungen. Das Forschungsteam konzipierte beispielsweise zur Nachahmung einladende Parcours, die es den Kindern ermöglichten, Räume durch Bewegung des gesamten Körpers sensomotorisch zu erleben und eigenständig zu erforschen.
Zusammenfassend kann der Projektbericht Kunstpädagoginnen und -Pädagogen, wissenschaftlichem Nachwuchs und auch Vermittlerinnen und Vermittlern in der schulischen Praxis als grundlegende Lektüre zur Zeichnung empfohlen werden. Die Ergebnisse stellen äußerst wertvolle Hinweise zur Entwicklung der persönlich geprägten Bildsprache bereit, die idealerweise zukünftig den Einsatz herausfordernder und komplexer Aufgabenstellungen im Kunstunterricht erhöhen und alle fachbezogenen erziehungswissenschaftlichen Diskurse um Kompetenzen sowie eine entsprechende Gestaltung von Curricula maßgeblich beeinflussen.

erschienen in: Zeitschrift: „news&science Begabtenförderung und Begabungsforschung. Schwerpunkt Bildnerische Begabung“ (http://oezbf.at) Nr. 33, 2013, S. 63