„… ein Publikum zu bilden …“

Gespräch der Redaktion der BDK-Mitteilungen (Georg Peez) mit Ulrich Schötker, dem "Leiter der Vermittlung" der documenta 12


Herr Schötker, Sie sind "Leiter der Vermittlung" der diesjährigen documenta. Carmen Mörsch erarbeitet die Begleitforschung hierzu. Wie kam es zu diesem Vermittlungsteam, wie fanden Sie zusammen?

Carmen Mörsch ist ja schon seit vielen Jahren eine wichtige Figur für den Kunstvermittlungs-Diskurs in Deutschland und hat sowohl praktisch als auch theoretisch daran gearbeitet. Sie hat diesbezüglich auch einige Forschungsbeiträge geliefert, war eine oft eingeladene Tagungsbeitragende und hat vor allem seit geraumer Zeit über den deutschen Tellerrand nach England geschaut, wo Gallery Education ein selbstverständlicher Teil vieler Galerien, Museen und Ausstellungshäuser ist. Ich suchte auf andere Weise nach Zusammenhängen zwischen ästhetischer Erziehung und Kunstvermittlung, hatte in Schulen gearbeitet, einen Projektraum in Madrid aufgebaut und mich in den letzten zwei Jahren an der Universität Hamburg mit der Systemtheorie befasst. Wir kannten uns aus früheren Arbeitszusammenhängen und ich glaube sogar, dass wir aus der Ferne beobachteten, was der andere jeweils so treibt.
Carmen Mörsch hatte bereits im Februar 2006 Kontakt zu Ruth Noack und Roger Buergel und gemeinsam mit ihnen Konzeptideen zur Realisierung der Kunstvermittlung auf der documenta 12 entwickelt. Im August suchte man nach einer Person, die die Abteilung vor Ort in Kassel übernimmt. Unmittelbar nach dem für mich überraschenden Anruf musste ich mich sehr schnell entscheiden. Da ich aber selbst seit 2005 die Entwicklungen der documenta 12 mit Spannung beobachtete – immerhin wurde Bildung als ein zentrales Thema sehr früh herausgestellt – fiel die Entscheidung für die documenta 12 nicht besonders schwer.
Nach dem Anruf gab es sehr bald ein längeres Gespräch mit Roger Buergel und Ruth Noack in Hamburg. Wir kamen schnell in die Diskussion und das Spannende war, dass wir uns nicht einmal einig waren. Für mich ein Zeichen, dass sich vieles noch entwickeln ließ und noch nicht abgeschlossen war.

Abb. 2: Ulrich Schötker; Foto: Jan Windszus; © documenta GmbH

Roger M. Buergel, der künstlerische Leiter der documenta 12 gab ja – wie Sie bereits sagten – schon früh das Motto der "documenta 12 als Bildungsinstitution" aus. Welches Bildungsverständnis findet sich in Ihrem Sinne, aus Sicht der Vermittlung, hinter dieser Aussage?

Die zweifache Konnotation "ein Publikum zu bilden" fasziniert mich immer noch sehr. Es handelt sich nicht allein darum Lernprozesse anzustoßen, sondern zuvor darum, ein Publikum zu erreichen, eines herzustellen. Roger Buergel und Ruth Noack haben meines Erachtens diesen Sachverhalt sehr früh als Handlungsanweisung verstanden und daraus den Kontext für die Ausstellung erarbeitet. Als Beispiel kann hier der documenta-12-Beirat gelten. Um eine lokale Bezugsmöglichkeit herzustellen, bildeten sie mit ca. 40 lokalen ExpertInnen diesen Beirat. Die Teilnehmer sind Personen, die Kenntnisse und Erfahrungen aus formaler und informeller Bildung mitbringen: Stadtplanung, Arbeitswelt, Wissenschaft, sozialer Arbeit, politischen Organisationen, religiösen und kulturellen Lebenswelten sowie Kinder- und Jugendarbeit. Über diesen Kreis, der sich seit über einem Jahr einmal im Monat im Kulturzentrum Schlachthof in Kassel trifft, haben sich nicht nur Kontakte zwischen dem documenta-Team und Kasseler Mitbürgern sowie zwischen Künstlern und lokalen Gruppen ergeben. Er sorgte durch die intensive Beschäftigung mit den drei Leitmotiven auch für die Schnittstelle zwischen dem oftmals nicht repräsentierten, lokalen Wissen und der Ausstellung.
In ähnlicher Weise arbeitet auch das Vorhaben "documenta 12 magazines", unter der Leitung von Georg Schöllhammer. Weltweit wurden ca. 90 verschiedene Magazine-Redaktionen eingeladen, die drei Leitmotive auf ihre jeweiligen geopolitischen Kontexte zu beziehen. In so genannten stillen Kolloquien trafen sich ausgewählte Teilnehmer bislang in Hong-Kong, Neu-Delhi, Sao Paolo, Kairo und Johannesburg.
Mit diesen Arbeitszusammenhängen korrespondiert auch die Arbeit der KunstvermittlerInnen, die mit den Besuchern die Ausstellung betrachten und sich darüber austauschen. Für eine Ausstellung, die ihre Form erst finden muss, bedeutet es zunächst, die eigene autorisierte Sprecherposition zur Disposition zu stellen, die eigene Intention zu hinterfragen und die vorhandenen Wissensressourcen der Besucher zu berücksichtigen. Dazu braucht man ein Vermittlungskonzept, welches in besonderer Weise Zeit und Raum neu diskutiert.

Ganz konkret: Welche Anlässe wird die d12 selbst bieten, die Besucherinnen und Besucher den ausgestellten Werken näher zu bringen? Im Vorfeld war von "Palmenhainen", "Kontemplation" sowie "Markierungen zum Pausieren" zu lesen. Was hat es hiermit auf sich?

Von Roger Buergel stammt das Konzept, so genannte Palmenhaine im Ausstellungsraum zu realisieren. Das sind nun keine wirklichen Palmen, sondern inszenierte Räume im Ausstellungsraum. Als Vermittler erwarten wir uns von diesem Konzept Orte, an denen wir uns mit den Besuchern zurückziehen können, an denen gesprochen und diskutiert wird. Mir erscheinen sie wie eine Aktualisierung der Differenz zwischen Konversation und Kontemplation. Zudem mag ich die metaphorische Tragweite des Begriffs Palmenhain. Sie geht zurück auf eine Erfahrung, die Roger Buergel auf einer Reise nach Indien machte. Dort besuchte er Santiniketan, eine westbengalische Universitätsstadt, die von Rabindranath Tagore gegründet wurde. Ich nehme an, es war die Einfachheit der Inszenierung pädagogischer Orte, die ihn faszinierte. Eine Einfachheit im Zugang zu pädagogischen Prozessen, die ich mir als ausgebildeter Kunstpädagoge auch in Deutschland oft gewünscht habe. Vielleicht sind das romantisch-verklärte Fantasien, aber vielleicht sind es gerade diese Fantasien, die einem die paradoxe Arbeit im pädagogischen Feld oder die Vermittlungsarbeit, für die der Schwebezustand auch typisch ist, erleichtern. Vielleicht brauchen wir einfache Lösungen und lyrische Zugänge auch für ein hypermodernes, administratives Bildungssystem, dessen bürokratische Schwere auf viele Teilnehmer sehr belastend wirkt.
Sicherlich ist es ein Anliegen der documenta 12, über Bildungsprozesse und Bildung als solche zu reflektieren. Die "Palmenhaine" bewirken eine Selbstreflexivität der Kunstvermittlung. Sie wird thematisierbar, weil zum einen die Besucher nicht nur die Werke beobachten können, sondern auch Personen, die sich mit Kunst auseinandersetzen. Zum anderen ist damit auch die soziale Komponente der Kunst deutlich herausgestellt. Die KunstvermittlerInnen als auch die Besucher müssen Taktiken im Umgang mit den "Palmenhainen" erfinden, wenn die gewohnte Führung keinen Raum erhält. Das ist so ungewohnt, wie die Vorstellung, dass an Schulen kein 45 Minuten-Unterricht stattfindet, oder es keine Klassenräume gibt; es wird immer Personen verärgern, die auf Gewohnheiten setzen, aber dadurch nehmen Bildungsprozesse ja kein Ende, sondern ihren Anfang.

Wie wirkt sich dieses Bildungs- und Vermittlungsverständnis z.B. auf den Umgang mit bestimmten Zielgruppen aus, wie Schulklassen, Oberstufen-Kurse oder auch bildungsfernere Besucher?

Mir gefällt zwar das Wort Zielgruppe nicht, es hilft aber vielleicht bei der Unterscheidung geläufiger Auffassungen von Bildung zu denen, die einerseits durch Kunst und ästhetische Theorie inspiriert sind und andererseits auf der documenta 12 ihre Anwendung finden. Der Begriff Zielgruppe kommt meines Erachtens aus der Marktforschung. Hier werden relevante Personengruppen mit bestimmten Kriterien identifiziert und angesprochen. Das sind sehr moderne Kommunikationsformen, die Gesellschaft nicht zwangsläufig zu ihrem Vorteil strukturieren. Sie führen immer auch zu Ausschlüssen und stellen damit die Unerreichbarkeit von Gesellschaft heraus. Für das gesellschaftliche Zusammenleben brauchen wir aber die Illusion einer Erreichbarkeit von Verbindlichkeit und diese scheint sich paradoxerweise auf der Basis von Singularitäten und Nicht-Verstehen einstellen zu können.
Mich persönlich interessiert diese Frage, was es bedeutet, wenn man beim Nicht-Wissen den Anfang setzt, Unerreichbarkeit problematisiert und Singularitäten herausstellt. Mich interessiert die Frage, wie sich gesellschaftliche Prozesse und darin eingebettet Erziehungsprozesse herausbilden, die von diesen Punkten ihre Impulse beziehen und sie sogar als Movens begreifen. Es zeigen sich zu aller erst Unsicherheiten, da man annehmen darf, mit völlig falschen Vorstellungen auf Besucher zuzugehen. Die Kunstbetrachtung bietet da Parallelen. Kunst hat sich als Medium in der modernen Gesellschaft herausgebildet, um Wahrnehmungsgewohnheiten in Frage zu stellen, und ihre Funktion ist es dann, immer wieder neu zu verunsichern, gerade das eigene Selbstverständnis, auch das Selbstverständnis einer Kunstausstellung wie die documenta, die sich alle fünf Jahre neu erfindet.
Eine Kunstvermittlung, die diese Besonderheiten von Kunst berücksichtigen will, kann also nicht von einer zuvor gerasterten Zielgruppe ausgehen. Vielmehr muss sie davon ausgehen, dass diese besondere Form der Kommunikation gleichsam jeden Besucher betrifft. Wir geraten aber in zweifacher Hinsicht in einen Widerspruch. Wie lassen sich auf dieser Folie die Heterogenitäten der Besuchergruppen noch berücksichtigen? Und kann ich überhaupt mit Personen arbeiten, die ein völlig anderes Verständnis von Kunst, oder vielleicht gar keines mitbringen – SchülerInnen z.B.? Auf beide Fragen kann man nur mit der Paradoxie antworten, welche sich aus dem Verhältnis von Kunstwerk und ästhetischer Erfahrung ergibt.

Ästhetische Erfahrung ist ja ein Dreh- und Angelpunkt für die Kunstdidaktik. Welche Rolle spielt sie in Bezug auf die sprachliche Dimension der Vermittlung auf einer solchen Groß-Ausstellung?

Die Erfahrung von Kunst ist nicht eine reine Selbsterfahrung, sondern stets eine Erfahrung in die ich bestehende Wissensressourcen einbringe und zur Disposition stelle. Sie wird erst dann gesellschaftlich relevant, wenn ich beginne, sie in Sprache zu übersetzen – dann also, wenn ich sie einem sozialen Zusammenhang zur Verfügung stelle. Sie wird ja nicht durch Konsens maßgeblich, also weil wir alle das gleiche sehen, spüren, erfahren, sondern gerade dadurch, dass sie Unterschiedlichkeiten herausstellt, Differenzen aufzeigt und sogar Konflikte erzeugt. Mit der eigenen Urteilsfähigkeit hört also der Prozess nicht auf, sondern beginnt erst.
Man muss sich klar machen, dass Zumutungen in der gesellschaftlichen Funktion von Kunst angelegt sind – und auch in der gesellschaftlichen Funktion von Erziehung. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit, der Kunstvermittlung selbst etwas zuzumuten. Die ausgewählten KunstvermittlerInnen sind eingeladen, ein eigenes Konzept für eine von ihnen ausgewählte Besuchergruppe zu erarbeiten. Begreift man die documenta 12 als Bildungsinstitution, so fallen gerade all die Gesellschaftsmitglieder ins Auge, die ohne eine Aufforderung die documenta eher nicht besuchen würden. Viele der Vermittlerinnen haben Konzepte erarbeitet, die sich diesen Besuchergruppen widmen. Diese Gruppen sind so heterogen, wie die Werke in der Ausstellung sein werden: Besucher aus Warschau/Krakau aus der Gay-, Lesben-, und Transgender-Szene, Erwerbslose aus Kassel, stillende Mütter und ihre PartnerInnen, Personen vom Wagenplatz und der alternativen Szene in Kassel, Frauen mit Brustkrebserkrankungen, interreligiöse, christlich-muslimische Gruppen, Blinde, Gehörlose, Jugendliche und Senioren mit Migrationserfahrungen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Eine Zusammenarbeit mit diesen Gruppen wird nur möglich sein, wenn man sensible Formen des Einladens er-findet, eigene Vorstellungen vor der Kontaktaufnahme kritisch reflektiert und sich auf den Austausch von Wissen und Erfahrungen einzulassen versteht. Es bedeutet vor allem Formen zu finden, welche die Widersprüche produktiv machen lässt. Denn den Widersprüchen – so wie sie sich auch in den Leitmotiven wiederfinden – scheint man nicht entgehen zu können, aber man wird an Formen arbeiten, um mit ihnen umzugehen.

Welche Rolle wird also die Subjektivität der Vermittlerinnen im Vermittlungskonzept spielen?

Die Vermittlungsarbeit basiert immer auf dem Einbringen der eigenen Person und Persönlichkeit, auf dem Erkennen individueller Spielräume, die man aktiv gestalten will. Die eigene Subjektivität kann in Vermittlungsprozessen ein wichtiger Anfangspunkt sein, Kunstbetrachtung zu suggerieren. Damit steht die eigene Übersetzung zur Disposition und ermöglicht anderen, sich ebenfalls, und zwar immer different, dazu einzubringen. Man sollte dabei die eigenen Methoden offenlegen. Kunstinterpretation ist ja kein Geheimnis. Dieses Anliegen hatte übrigens Bazon Brock mit der Besucherschule von d4 bis d6 ja besonders herausgestellt. Geheimnisvoll wird es aber dann, wenn die VermittlerInnen beginnen, mit dem Publikum zu kommunizieren, und wenn das Publikum beginnt, das Gespräch über Kunst zu kultivieren, oder Formen findet, die man weder den Werken, der Ausstellung noch sich selbst zugeschrieben hätte. Da lässt sich auch offen spekulieren.

Auf der letzten documenta wurden Kunstlehrerinnen und -lehrer vom Aufsichtspersonal ermahnt, nicht selber führungsähnliche Funktionen auszuüben, hierfür seien die professionellen Führungskräfte zuständig. Wie kam es damals hierzu? Werden sich solche Situationen auf der d12 wiederholen?

Diese Situationen haben ihre Geschichte. Soweit es mir bekannt ist, gab es erst auf der zehnten und elften documenta diese Beschränkungen. Im Verlauf der 1990er-Jahre wuchs das Interesse an Besucherführungen beträchtlich, und zu beiden Ausstellungen vergab die documenta GmbH den Besucherdienst an Unternehmen. Sie organisierten die Anrufe, Buchungen, Tagesfahrten, ordneten die Vermittlerinnen den Gruppen zu etc. Wenn man so will: es war ein Geschäft. Diesmal will die Kunstvermittlung zwar mehr sein als nur ein Besucherservice. Sie ist stärker integriert in die Ausstellungsarchitektur durch die Palmenhaine sowie die gemeinsame Präsenz der Magazines, des Beirats und der KunstvermittlerInnen, die in der documenta-Halle einen gemeinsamen Ort bespielen werden. Aber leider ist der Kunstvermittlung nach wie vor kein Budget zugedacht und es gibt eine ökonomische Abhängigkeit durch den Vertrieb. Das ist dann nicht positiv zu bewerten, wenn man mit neuen Formen experimentieren will und zugleich vom Verkauf abhängig ist. Nicht umsonst galt es als Errungenschaft des modernen Bildungssystems, die pädagogische Aufgabe vom Gewinnstreben zu befreien.
Sicher ist aber, dass wir uns selbst vor kommerziellen Anbietern schützen müssen, die auf ihrem Gebiet sicher gute Arbeit leisten, aber nicht zwangsläufig eine Bildungsarbeit im Sinne der documenta 12. Trotzdem werden wir für Gruppen, die einer Bildungsinstitution angehören und ihre Gespräche oder Führungen selbst moderieren möchten, die Möglichkeit dazu geben. Wir geben ein Kontingent frei, damit diese Gruppen in den Ausstellungsräumen arbeiten können. Es wird jedoch unterschieden, ob diese Gruppen eine Kontinuität in der Bildungsarbeit mitbringen, oder einfach eine günstige Alternative im Kontext der Eventkultur suchen. Möchte man all den Besucherinnen und Besuchern, die nicht aus dem Kontext einer Bindungsinstitutionen zur documenta finden, eine Begleitung sichern, so muss man ein Vermittlungsteam aufstellen, das geordnete Zugangsrechte aufweist. Grundsätzlich empfehlen wir den Besuchern sich diesmal nicht nur mit den Werken, sondern auch mit den KunstvermittlerInnen auseinanderzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schötker, und viel Erfolg für Ihre Arbeit in Kassel!


Bibliografische Angaben zu diesem Text:
"… ein Publikum zu bilden …". Gespräch der Redaktion der BDK-Mitteilungen (Georg Peez) mit Ulrich Schötker, dem "Leiter der Vermittlung" der documenta 12. In: BDK-Mitteilungen, Heft 2, 2007, S. 2-5

Georg Peez (http://www.georgpeez.de) Zuletzt geändert am 23.07.2007

Zur Bedeutung ästhetischer Erfahrung für Produktion und Rezeption in gegenwärtigen Konzepten der Kunstpädagogik

G. Peez: Ästh. Erfahrung

Georg Peez

Der Kunst- wie auch der Musikunterricht sind gegenwärtig einem starken Legitimationsdruck ausgesetzt. Obwohl in Sonntagsreden hoch gelobt, findet auf der Stundentafel der Schule ein harter Verdrängungswettbewerb statt, den in der Regel die "Hauptfächer" zu ihren Gunsten entscheiden. Die Logik in der Zeit nach Veröffentlichung der ersten PISA-Studie (2001) lautet: Gerade die Fächer, die besonders schlecht abschnitten, bekommen noch mehr Stunden zugewiesen.
Kulturelle und ästhetische Bildung stellen sich neu auf, versuchen ihre Konzepte zu überdenken und auch die Fachdidaktiken schauen über den Zaun, was in anderen Bereichen diskutiert wird. Neben vorhandenen fundamentalen Unterschieden zwischen beiden Fächern, teilen Musik- und Kunstunterricht zweifellos stellenweise ähnliche Ziele. Der Bezug auf die ästhetische Erfahrung eint die Fächer der ästhetischen Bildung. In der Kunstpädagogik gibt es grundsätzlich zwei Bereiche, in denen ästhetische Erfahrungen gemacht werden können: Dies ist einerseits die Rezeption von Kunstwerken oder von visuellen Alltagsphänomenen und andererseits die Produktion von bildnerischen Objekten, hier beispielsweise das Malen von Bildern, das Fotografieren oder das Konstruieren eines Architekturmodells. Der Begriff des "Erfindens" spielt in der Kunstdidaktik keine Rolle. Eine Differenzierung im Produktionsbereich zwischen Erfinden, Nachahmen oder Interpretieren ist kaum Thema. Dies würde auch im Bereich der bildenden Kunst äußerst schwer fallen, wo seit dem Ready-Made Marcel Duchamps (1887-1968) und spätestens seit der Popart (Andy Warhol: "All is beautiful!") jeder massenindustriell hergestellt Alltagsgegenstand ohne bildnerische Veränderung bzw. kaum eine Veränderung Kunst sein kann. Also gibt es nur die Unterscheidung: Betrachte ich ein ästhetisches Objekt (Rezeption) oder stelle ich selber ein solches her (Produktion)? (Anm. 1)

Abb. 1 Fotografie eines Jungen (Alter: 15 Jahren; 4 Monate).

Strukturmerkmale ästhetischer Erfahrung

Im Bereich der bildnerischen Produktion wird zunächst anhand einer Fotografie eines 15-jährigen Jungen (Abb. 1) erläutert, was aus Sicht der Kunstpädagogik die Strukturmerkmale von ästhetischer Erfahrung sind. Diese Strukturmerkmale ästhetischer Erfahrung beruhen auf Ausführungen unterschiedlicher Autorinnen und Autoren (u. a. Dewey 1934; Duncker 1999; Mattenklott 2004; Seel 2004) und lassen sich chronologisch ordnen (Peez 2 2005, S. 19), von der ersten Aufmerksamkeit, die der 15-Jährige erlebte, bis hin zu seiner bildnerischen Handlung, dem Fotografien. Im Sinne der Kunstdidaktik ließe sich hier zweifellos von "Erfinden" sprechen, auch wenn ein Motiv "lediglich" "gefunden" und "festgehalten" wurde.
• Aufmerksamkeit für Ereignisse und Szenen, die Gefallen und Interesse wecken und hierdurch unmittelbares Spüren der Wahrnehmung bedingen: Der Jugendliche entdeckt in seinem Alltag, während der Fahrt mit der S-Bahn, auf der Fensterscheibe und bei entsprechendem Lichteinfall den Abdruck eines Gesichts. Unmittelbarkeit in der Wahrnehmung stellt sich u. a. durch die Nähe dieses "Gesichts" ein. Im Hintergrund sind eine Regenrinne und ein Hausdach mit Schneefanggitter zu erkennen.
• Offenheit und Neugier: Für seine Aufmerksamkeit benötigt der Jugendliche eine gewisse Aufgeschlossenheit für Ungewohntes und Interesse am Durchbrechen seiner Wahrnehmungsgewohnheiten.
• Versunkensein und emotionales Involviertsein im Augenblick: Beim eher abschweifenden Blick aus dem Fenster könnte das Motiv seine Aufmerksamkeit geweckt haben. Eine emotionale Bezugnahme lässt sich daran ablesen, dass der 15-Jährige dieses Motiv als fotografierenswert empfindet. Es hat ihn irritiert, angesprochen und auch wohl innerlich bewegt.
• Genuss der Wahrnehmung selbst mit hiermit verbundenem Lustempfinden: Ob der jugendliche Fotograf beim Entdecken des Motivs und Fotografieren Freude verspürte, kann aufgrund des Fotos nicht eindeutig gesagt werden; es ist jedoch hiervon auszugehen, ähnlich wie vom emotionalen Involviertsein. (Ein Interview mit dem Jungen könnte Gewissheit bringen.)
• Spannung und Überraschung, die Staunen vor dem wahrgenommenen Phänomen auslösen können: Eine Überraschung vor dem Motiv kann als durchaus gegeben unterstellt werden, denn nicht alltäglich begegnet einem ein solch klarer Gesichtsabdruck auf einer Fensterscheibe. Eine gewisse Spannung wird sich im Moment des Fotografierens ergeben haben: Fährt die S-Bahn wieder an bzw. schneller, geht auch der dunkle Hintergrund verloren und das Motiv ist nicht mehr sichtbar.
• Erleben von Subjektivität und Individualität im Wahrnehmungsprozess: Jede Wahrnehmung ist subjektiv, jeder Betrachter empfindet etwas anderes, wenn er dieses Motiv sieht, verarbeitet seine aktuellen Wahrnehmungen mit seinen früheren Erfahrungen. Manche mögen angesichts der "Lebendigkeit" und Unmittelbarkeit dieses Gesichtsabdrucks leicht erschrecken.
• Anregung der Fantasie durch Entdeckung von neuen Assoziationen zu scheinbar Bekanntem und Gewohntem: Durch die aktuellen Wahrnehmungen wird die je individuelle Fantasie angeregt: Der eine mag in dem Gesichtabdruck eine afrikanisch anmutende Maske sehen. Der andere glaubt Ähnlichkeiten mit Röntgenbildern zu erkennen. Wieder ein anderer Betrachter assoziiert eine Totenmaske oder gar eine spirituelle Erscheinung.
• Reflexion über die eigene Wahrnehmung und deren Prozesshaftigkeit mit hierdurch bedingter nötiger Distanz zum eigenen Wahrnehmungserleben: Teil jeder ästhetischen Erfahrung ist die Reflexivität. Ich setze mich der Wahrnehmungssituation zwar mit meiner Subjektivität unmittelbar aus. Aber in einem etwas späteren Stadium gewinne ich Abstand von diesem Augenblick und überlege, wie es zur Unmittelbarkeit kam. Der Jugendliche mag im Nachhinein überlegt haben, warum sich das Gesicht auf der Fensterscheibe abzeichnet. Ist hier jemand eingeschlafen? Wurde die Person mit Gewalt an die S-Bahn-Scheibe gedrückt? Warum erscheinen die Lippen auf diese Art und Weise deutlich, ja heller abgesetzt? Handelt es sich um den Abdruck einer Frau, die Lippenstift trug? Welche Lichtvoraussetzungen sind nötig, dass das Bild überhaupt erscheint?
• Voraussetzung für die Reflexion ist Wissen und Einsicht, die sich aus früherer Wahrnehmung und Erfahrung ergibt: Assoziationen und Reflexivität können sich nur auf der Grundlage bewusster, bereits verarbeiteter, bisheriger Wahrnehmungserlebnisse bilden.
• In-Beziehung-Setzen der eigenen ästhetischen Erfahrung mit kulturellen und künstlerischen Produkten: Dieser Aspekt wurde bereits bei den möglichen vielfältigen Assoziationen angesprochen und kann in dem Sinne weiterverfolgt werden, dass das Abbild auf der Scheibe und die Fotografie als Technik des Festhaltens von Seh- und Lichteindrücken dienen.
• Festhalten der ästhetischen Erfahrung in ästhetischer Produktion: Zweifellos geschieht dies dadurch, dass der 15-Jährige ein Foto macht.
• Mitteilen dessen, was die ästhetische Aufmerksamkeit zwingend erregte (kommunikativer Aspekt): Das Foto hat Mitteilungsfunktion, der Fotograf zeigt es u. a. seinen Freunden. (Anm. 2)
In manchen ästhetischen Theorien wird Kindern und Jugendlichen das Vermögen abgesprochen, ästhetische Erfahrungen machen zu können, da sie hierfür noch nicht kulturell reif genug seien. Doch der Philosoph Martin Seel stellt die folgende Verbindung her: "Ästhetische Erlebnisse jedoch haben wesentlich Bezug auf unser Lebensgefühl, unser körperliches Selbstgefühl und sind zutiefst mit Erfahrungen verwandt, bei denen wir das Prädikat ästhetisch kaum gebrauchen werden: mit der Erfahrung der Kinder, deren Merkwelt einerseits beschränkter ist, andererseits jedoch mit größerer Intensität erlebt wird, da bei ihnen die Wahrnehmungsfähigkeit noch nicht durch Gewohnheit und Routine eingeschränkt oder vernutzt ist." (Seel nach Mattenklott 2004, S. 18) Und die Erziehungswissenschaftlerin Gundel Mattenklott zieht hieraus den Schluss: "Kindern und Jugendlichen wird nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit ästhetischer Erfahrung zugestanden – ihr Lebensalter würde sie sogar in besonderem Maße für solche Erfahrungen empfänglich machen." (Mattenklott 2004, S. 19)
Für die Kunstpädagogik gilt demnach als weitgehender Konsens die Zielperspektive: "Im Kunstunterricht geht es um mehr als Kunst, es geht um die ästhetischen Erfahrungsprozesse der Kinder und Jugendlichen – in ihrem Wahrnehmen, Handeln und Denken. Ihnen diese Prozesse zu eröffnen, sie darin zu begleiten und selbstständig werden zu lassen, ist Praxis und Konzept des Kunstunterrichts." (Kirchner/ Otto 1998, S. 1) Denn der Kern ästhetischer Bildung sind ästhetische Erfahrungen. Ästhetische Erfahrungen lassen sich sowohl rezeptiv als auch produktiv machen, d. h. sowohl in der Wahrnehmung ästhetischer Objekte und Phänomene als auch im eigenen Gestalten, sei es bildnerisch, musikalisch, dichterisch oder darstellerisch. Ästhetische Bildung ist ohne authentische ästhetische Erfahrungen nicht denkbar und möglich. Im Folgenden werden drei aktuelle einflussreiche kunstdidaktische Konzepte knapp konturiert.

Abb. 2 u. 3 Überreste des World Trade Centers,
New York nach dem Anschlag am 11. September 2001

Bild-Orientierung / "Visuelle Kompetenz"

Wir alle kennen die Fotos der Überreste des World Trade Centers in New York aus den Tagen nach dem 11. September 2001 (Abb. 2 u. 3). Bildexpertentum in der Kunstpädagogik bedeutet, den historischen und aktuellen Bildern in Kunst und Medien nachzuspüren, ästhetische Erfahrungen (s. o.) hieran zu machen, Ähnlichkeiten und Differenzen zu reflektierten. Es lassen sich überraschende Analogien finden zwischen diesen Fotos und dem Gemälde "Eismeer" (1823/24) von Caspar David Friedrich (Abb. 4). Dieses Gemälde heißt im Untertitel "Gescheiterte Hoffnung": Man sieht, wie sich Eisschollen schräg auftürmen, die auf der rechten Seite ein Schiff unter sich begraben. Die Trümmer des WTC begruben auch die Hoffnung nach einer friedlicheren Welt, nachdem der Ost-West-Konflikt nur wenige Jahre zuvor überwunden war. Die Fotos vom Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall im Januar 2006 können wir mit diesen Bildern ebenfalls assoziieren (Abb. 5).

Abb. 4 Caspar David Friedrich (1774-1840): Eismeer. Die gescheiterte Hoffnung, 1821, Öl auf Leinwand, Hamburg Kunsthalle Abb. 5 Überreste der eingestürzten Eissporthalle von Bad Reichenhall Anfang Januar 2006

Und auch die zeitgenössische Kunst greift solche Motive auf, z. B. in einer groß angelegten Installation von Hans Haacke. Der Künstler gestaltete 1993 den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Das Werk gilt als einer der besten deutschen Biennale-Beiträge, und es wurde mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Haacke machte den im Stil national-sozialistischer Architektur erbauten deutschen Pavillon zum Thema an sich (Abb. 6). Das Großfoto im Eingang zeigte Adolf Hitler bei dessen Biennale-Besuch 1934 mit Benito Mussolini (Abb. 7 u. 8). Was geschah, wenn man in den Raum hinein ging, schildert ein zeitgenössischer Bericht: "Haacke hat den Fußboden aufhacken lassen und das Wort ‚Germania‘ (den Schriftzug wie außen am Pavillon) auf die gewölbte Rückwand des leeren Raumes gesetzt. Durch umhergehende Besucher geraten die berstenden Bodenplatten, Eisschollen gleich, geräuschvoll in Bewegung." (Nemeczek 1993, S. 56) Verbindungen zum Friedrich-Bild tun sich auf. Drei Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands, wenige Wochen nach dem Brandanschlag von Solingen als Höhepunkt einer Welle fremdenfeindlicher, rassistischer Anschläge auf Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland warnte Haacke mit bildnerisch komplexen Mitteln. Doch kann man dieses Werk nur in seinen Dimensionen erfahren, wenn man die Bilder lesen und Bildbezüge herstellen kann.
Weltaneignung und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen werden zweifellos von ihrem Bildgebrauch maßgeblich geprägt. Hierdurch ergibt sich ein ständig wachsender Bedarf an "Bildkompetenz". "‚Visuelle Kompetenz‘ meint eher die rezeptive, d. h. die erlebnishafte, analysierende und deutende Auseinandersetzung mit visuellen Gestaltungen unter Einbeziehung der räumlichen und haptischen Erfahrung, während der Begriff ‚Bildkompetenz‘ auch den produktiv-gestalterischen Aspekt einbezieht." (Bering u. a. 2004, S. 9) Insofern müssten Erfahrungs- und Lernprozesse mit Bildern als unverzichtbare Elemente allgemeiner Bildung inzwischen eigentlich zu den Basisqualifikationen neben Lesen, Schreiben und Rechnen gezählt werden.

Abb. 6 u. 7 Hans Haacke (* 1936): Deutscher Pavillon auf der Biennale in Venedig 1993

Argumente "Pro Bild-Orientierung":
• Begründung des Schulfaches "Kunst" durch Anschluss an die Kompetenz-Diskussion (Bildlese-Kompetenz);
• Bedeutung des "Bildes" als Grundlage für "Bildung";
• Orientierung an den visuellen Medien-Welten der Jugend.
Argumente "Contra Bild-Orientierung":
• Gefahr der Marginalisierung von Kunst;
• Zu starke Betonung des rationalen "Verstehens" und "Erklärens";
• Verlust künstlerischer Authentizität des Faches.

Abb. 8 Hans Haacke (* 1936): Deutscher Pavillon auf der Biennale in Venedig 1993

Kunst-Orientierung / "Künstlerische Bildung"

Bei einer so starken Betonung des Bildes besteht die Gefahr, dass das zentrale Gegenstandsfeld des Kunstunterrichts, die Kunst, nur noch eine Nebenrolle spielt. Denn Kunst wird unter den Bildbegriff subsumiert. Hingegen sollte es nach dem Ansatz der "Künstlerischen Bildung" im Kunstunterricht darum gehen, Vermittlungs- und Handlungsprozesse ‚kunstanalog‘ zu initiieren. Mit der "Begründung der Kunstdidaktik aus der Kunst heraus" wird es Ziel, "künstlerische Formen des Denkens in kunstdidaktischen Prozessen auszubilden, die künstlerische Handlungsweisen praktizieren" (Buschkühle 2003, S. 19). Bereits an diesem kurzen Zitat wird deutlich, welch zentrale Rolle die Kunst in dieser Argumentation spielt. Durch die Öffnung und Erweiterung des Kunstbegriffs verschließt sich die "Künstlerische Bildung" zugleich nicht den pluralen Gegenstandsbereichen des Faches Kunst. Denn unter dem erweiterten Kunstbegriff nach Joseph Beuys (1921-1986) kann man sich auf praktisch "alles" beziehen. Kunstpädagogik, auch als Schulfach, solle deshalb nicht vom Bild, den bildgenerierenden Medien her gedacht werden, sondern "Künstlerische Bildung" meint die Etablierung von künstlerischen Denk- und Handlungsweisen im Bildungsgeschehen (Buschkühle 2003, S. 25).

Abb. 10 u. 11 aus: Zaake, Gerd-Peter: Atemluft in Darmblähungen. Gestalterische Versuche mit Rinderdärmen. In: Kunst+Unterricht, Heft 295, 2005, S. 36-39

Beispielhaft für diese Kunstorientierung ist die folgende Unterrichtseinheit "Atemluft in Darmblähungen. Gestalterische Versuche mit Rinderdärmen" von Gerd-Peter Zaake. Als Material hierfür benötigt man:
"- ein etwa 6 Meter langes Stück Rinderdarm – beim Schlachter für ca. 1 Euro pro 10 Meter billig und leicht zu erwerben,
– ein Mundstück, z. B. das leere Oberteil eines Billigkugelschreibers,
– zwei ca. 15 cm lange Bindfäden." (Zaake 2005, S. 36) (Abb. 10)
Die Aufgabe an die Schüler lautet: "Für den Blähversuch sollte die weiche Masse zusammengeschoben sein. Dann wird durch das Mundstück Atem eingeblasen. So dringt Luft in die Rinderdärme. Diese wachsen, sich blähend und bewegend, plastisch zu spiralförmigen Darmverschlingungen. Langsamkeit und Stille sind für die ersten 15 Minuten absolute Bedingung." (Zaake 2005, S. 36) (Abb. 11) Zur Reflexion des Erlebten – auch als Abschluss der ästhetischen Erfahrung (s. o.) – bekommen die Schülerinnen und Schüler (Klasse 7 oder 11) folgende schriftlich zu beantwortende Aufgabe: "Stell dir vor, du bist erwachsen. Du bist mit deinem privaten Leben und deinem Beruf zufrieden. Eines Tages kommst du nach Haus, da steht vor deiner Eingangstür ein Eimer mit Rinderdärmen. Wut und Ekel überkommen dich, doch dann kommt dir auf einmal der Gedanke, diese ekligen Dinger irgendwie für deinen Beruf zu nutzen. Du fasst sie an, pustest vielleicht hinein. In deinem Kopf entstehen Vorstellungen, die du gleich notierst und skizzierst, damit du sie nicht vergisst.
Wähle einen Beruf und notiere erste Ideen: Schlachter, Künstler, Fotograf, Naturwissenschaftler, Filmemacher." (Zaake 2005, S. 38) Auch für die Kunstrezeption hält Gerd-Peter Zaake solche Übungen für bedeutsam, da es sich um einen "sinnlichen Übungsweg" "als Hinführung zum Werk" handelt. Denn "in Verbindung mit sinnlichen Erfahrungen und gedanklichen Zusammenhängen aus der hier skizzierten Wahrnehmungsübung, ließen sich z. B. Kunstwerke ganz anders im Kunstunterricht aufschließen, als wenn die Lehrkraft ein Werk mehr oder weniger begründet serviert." (Zaake 2005, S. 37)
Durch Irritationen werden so bewusst Verfremdung ausgelöst und ästhetische Erfahrungen – nach der Diktion der "Künstlerischen Bildung": künstlerische Erfahrungen (Buschkühle 2003, S. 35f.) – angestoßen. Die Kunstdidaktik initiiert kunst-ähnliche Prozesse und ermöglicht auf diesem Wege neue Kunst- und Alltagserfahrungen mit dem hohen Ziel der ‚Lebenskunst‘.
Argumente "Pro Kunst-Orientierung":
• Besinnung des Faches "Kunst" auf seinen Kern;
• Thematisierung aller Lebensbereiche durch avantgardistische, zeitgenössische Kunst;
• Verfremdungen in der Kunst machen Welt neu ästhetisch erfahrbar.
Argumente "Contra Kunst-Orientierung":
• Zu starke Betonung irrationalistischer Kunsterfahrung;
• Überschätzung der Möglichkeiten des Nebenfaches "Kunst";
• zu wenige Verbindungen zwischen zeitgenössischer Kunst und der Lebenswelt von Heranwachsenden.

Subjekt-Orientierung / "Ästhetische Forschung"

In einem dritten Konzept – meist mit "Ästhetische Forschung" (Kämpf-Jansen 2001) oder "Biografieorientierung" (Kunst+Unterricht Hefte 280 u. 281 2004) benannt – steht die Schülerin bzw. der Schüler im Fokus. Der Schüler und seine ästhetisch forschenden Interessen sind hier der Ausgangspunkt. Es werden sehr offene Aufgaben gestellt bzw. Themenschwerpunkte festgelegt, die innerhalb eines werkstatt-ähnlichen Settings bearbeitet werden. Ästhetische und kulturelle Selbstbildungsprozesse können jedoch kunstpädagogisch angeregt und gefördert werden. Weil sich ästhetische Bildung durch das Merkmal des Erkundens einer selbst gewählten Thematik auszeichnet, liegt der Begriff der "Ästhetischen Forschung" nahe. Alles Material und jede Thematik kann genutzt werden, wenn sie für die einzelne Schülerin / den einzelnen Schüler bedeutsam sind.

Abb. 12 u. 13 aus: Nitsch, Alessandra: Ein "realistischer" Blick auf den Alltag. In: Kunst+Unterricht, Heft 258, 2001, S. 42-44

Ein Unterrichtsbeispiel: Schülerinnen und Schüler eines Grundkurses der Klassenstufe 11 erhielten den "Auftrag", ihren Alltag ästhetisch zu erforschen und sich dabei zu fragen, was Alltag für sie bedeutet. Sie sollten ermitteln, wie und warum in der Kunst Alltag thematisiert wird (Nitsch 2001, S. 42ff.). Der Unterricht gliederte sich in vier Schritte: (1.) "Im ersten Teil geht es um die Annäherung an das Phänomen Alltag. Die Schüler wurden aufgefordert, sich stumm für die Dauer einer Doppelstunde dem Alltag in der Schule und ihrer Umgebung auszusetzen und dabei neue Wahrnehmungen, Assoziation und Gedanken zu diesem Phänomen festzuhalten. (…) Alle hielten ihre Gedanken schriftlich fest, stichwortartig, in ganzen Sätzen und Texten oder in Form von Gedichten, und tauschten diese anschließend aus." (Nitsch 2001, S. 42) (2.) Erarbeitung des Phänomens Alltag anhand von Texten (z. B. "Über das Neue" von Boris Groys, "Spurensicherung" von Günter Metken) und Beispielen aus der Kunst. (3.) Eigenes praktisches Arbeiten der Schülerinnen und Schüler in Form individueller "Forschungsprojekte"; dies schloss ein: Verhaltens- und Praxisformen der Spurensicherung: Sammeln, Ordnen, Arrangieren, Basteln, Fotografieren, Zeichnen, Schreiben usw. (4.) Präsentation der Ergebnisse in der Schule mit "kleinen Führungen".
Die Kunstlehrerin Alessandra Nitsch stellte das Beispiel der ästhetisch forschenden Auseinandersetzung der Schülerin Svenja vor: "Svenja setzte sich mit der Problematik der latenten oder expliziten Ritualisierung unseres Alltags am Beispiel des alltäglichen Frühstücks mit ihren Eltern auseinander." (Nitsch 2001, S. 43) Sie fotografierte sich und ihre Eltern beim morgendlichen Frühstück und versah alle ihre Fotos mit genauer Uhrzeit (Abb. 12 u. 13). Die Lehrerin resümiert: Svenjas "Wahrnehmung wurde intensiviert, ihr Nachdenken wurde angestoßen, ihr Alltagsverhalten einer Reflexion unterzogen, ihr Interesse an existenziellen Fragen geweckt. Durch ihren Bilderatlas hat sie ihr Frühstücksritual aus einem herkömmlichen Kontext gelöst und durch die veränderte und bewusste Wahrnehmung bei sich und anderen sowohl persönliche als auch kollektive Erinnerungen ausgelöst und zum Nachdenken über individuelle und allgemeine Fragen des Alltags angeregt." "Ziel des Projekts – wie überhaupt jeder Form ästhetischer Forschung – ist es gewesen, durch intensives Arbeiten Erfahrungen zu sammeln, um alte Wahrnehmungsgewohnheiten in Frage zu stellen und neue auszuprobieren." (Nitsch 2001, S. 43)
Argumente "Pro Subjekt-Orientierung":
• Pädagogik muss immer vom einzelnen Menschen und dessen Individualität ausgehen.
• Die Biografie ist Grundlage jeder ästhetischen Erfahrung und jedes ästhetischen Verhaltens.
• Öffnung von Schule.
Argumente "Contra Subjekt-Orientierung":
• Zentrierung auf die persönliche, subjektbezogene Perspektive;
• Ausblenden des Fremden und Unbekannten;
• Gefahr der vorwiegenden Bearbeitung von Lieblingsthemen und Hobbys.

Fazit

Ästhetische Erfahrungen sind – wie aufgezeigt wurde – Erfahrungen der Diskontinuität. Und sie sind mithilfe aller drei kunstdidaktischen Richtungen zu sammeln, der Bild-Orientierung, der Kunst-Orientierung und der Subjekt-Orientierung. Unter allen drei Konzepten wird interessanter, spannender Unterricht gemacht. Aus Sicht der Praxis garantiert keines der Konzepte quasi per se kunstdidaktisch hochwertigen Unterricht. Dies ist durchaus auch als ein Plädoyer für Pluralität zu verstehen. Wenn aber mit allen Konzepten guter Kunstunterricht gemacht werden kann, dann wäre ja eigentlich egal, auf welches Konzept man sich beruft? – Egal ist es meines Erachtens jedoch nicht, denn die Legitimation nach außen gibt die Melodie vor, mit der die Kunstpädagogik, mit der das Schulfach Kunst wahrgenommen wird. Was stelle ich bei der Begründung meines Kunstunterrichts – etwa auch im Schul-Curriculum – in den Mittelpunkt?
Kurz: Orientiere ich meine Unterrichts-Ziele an dem Bild und damit der visuellen Kompetenz aus? Verstehe ich meinen Unterricht als kunstanalogen Prozess und stelle die Kunst ins Zentrum? Oder beginne ich meine didaktischen Überlegungen bei der einzelnen Schülerin / dem einzelnen Schüler und deren / dessen Biografie?

Anmerkungen

(1) Lediglich der Kunstdidaktiker Axel von Criegern differenziert den Produktionsbereich im Kontext der Kunstrezeption in drei Gruppen: Rekonstruktion (Ich ahme ein Kunstwerk nach, zeichne es beispielsweise ab.), Dekonstruktion (Ich gliedere das Kunstwerk in Teile, zerschneide beispielsweise eine Reproduktion und fertige aus diesen Teilen eine Collage an.) und Konstruktion (Ich lasse mich von einem Kunstwerk nur anregen, gestalte dann aber eigenständig ohne bestimmte Bezüge zu diesem Werk.) (Criegern 1999). Von Criegern wollte durch diese Systematik der kunstwissenschaftlich orientierten Kunstrezeption künstlerisch orientierte Rezeptionsweisen entgegensetzen. Zugleich zeigt dieses Beispiel, wie eng sich Produktion und Rezeption überlappen können.
(2) Qualitative empirische Forschung in der Ästhetischen Bildung/ Kunstpädagogik widmet sich u. a. der empirischen Rekonstruktion ästhetischer Erfahrung innerhalb und außerhalb von Kunstunterricht, z. B.: Mollenhauer 1996, S. 29ff.; Kirchner 1999, S. 244ff.; Peez 2005, S. 19ff.; Reuter 2007, S. 225ff.; Peez 2007.

Literatur

Buschkühle, Carl-Peter (Hg.): Perspektiven künstlerischer Bildung. Köln (Salon Verlag) 2003
Criegern, Axel von: Konzepte künstlerischer Auseinandersetzung. In: Kunst+Unterricht, Heft 233, 1999, S. 40-43
Dewey, John: Kunst als Erfahrung, 1934. Frankfurt a.M. 1980
Duncker, Ludwig: Begriff und Struktur ästhetischer Erfahrung. In: Neuß, Norbert (Hg.): Ästhetik der Kinder. Frankfurt a. M. (GEP Verlag) 1999, S. 9-19
Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Köln (Salon Verlag) 2001
Kirchner, Constanze: Kinder und Kunst der Gegenwart. Zur Erfahrung mit zeitgenössischer Kunst in der Grundschule. Seelze (Kallmeyer) 1999
Kirchner, Constanze/ Otto, Gunter: Editorial. Praxis und Konzept des Kunstunterrichts. In: Kunst+Unterricht, Heft 223/ 224, 1998, S. 1, 1-11
Mattenklott, Gundel: Ästhetische Erfahrungen in Kindheitserinnerungen. In: Mattenklott, Gundel/ Rora, Constanze (Hg.): Ästhetische Erfahrung in der Kindheit. Weinheim (Juventa) 2004, S. 113-132
Mollenhauer, Klaus: Grundfragen ästhetischer Bildung. Theoretische und empirische Befunde zur ästhetischen Erfahrung von Kindern. Weinheim (Juventa) 1996
Nemeczek, Alfred: Neue Kunst auf brüchigem Grund. In: art Das Kunstmagazin, Nr. 8, 1993, S. 48-57
Nitsch, Alessandra: Ein "realistischer" Blick auf den Alltag. In: Kunst+Unterricht, Heft 258, 2001, S. 42-44
Peez, Georg: Einführung in die Kunstpädagogik. Stuttgart (Kohlhammer Verlag) 2 2005
Peez, Georg: Evaluation ästhetischer Erfahrungs- und Bildungsprozesse. Beispiele zu ihrer empirischen Erforschung. München (kopaed) 2005
Peez, Georg (Hg.): Handbuch Fallforschung in der Ästhetischen Bildung / Kunstpädagogik. Qualitative Empirie für Studium, Praktikum, Referendariat und Unterricht. Baltmannsweiler (Schneider Verlag) 2007
Reuter, Oliver M.: Experimentieren. Ästhetisches Verhalten von Grundschulkindern. München (kopaed) 2007
Seel, Martin: Über die Reichweite ästhetischer Erfahrung – Fünf Thesen. In: Mattenklott, Gert (Hg.): Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste. Hamburg 2004, S. 73-81
Zaake, Gerd-Peter: Atemluft in Darmblähungen. Gestalterische Versuche mit Rinderdärmen. In: Kunst+Unterricht, Heft 295, 2005, S. 36-39


Bibliografische Angaben zu diesem Text:
Peez, Georg: Zur Bedeutung ästhetischer Erfahrung für Produktion und Rezeption in gegenwärtigen Konzepten der Kunstpädagogik. In: Greuel, Thomas/ Heß, Frauke (Hg.): Musik erfinden. Beiträge zur Unterrichtsforschung. Aachen (Shaker Verlag) 2008, S. 7-26

Über die Bilder der Dinge

Modelle des Sehens

Katharina Bütikofer / Georg Peez

Ein Bild erweckt unsere Aufmerksamkeit: Es ist einerseits rätselhaft und andererseits assoziativ anregend. Im Ausschnitt und stellenweise koloriert wurde es auf dem Cover von Heft 287 der Zeitschrift Kunst+Unterricht im Jahr 2004 zur Illustration des Themas »Beurteilen und Bewerten« verwendet (Abb. 1), betitelt mit der Bildunterschrift: "Anonymer Stich, wahrscheinlich 17. oder 18. Jahrhundert, Quelle unbekannt" (K+U 287/2004, S. 3).


Abb. 1 bis 3

Bild-Beschreibung

Ein nahezu quadratisches Bildformat dieses schwarz-weißen Stichs öffnet den Blick auf die Darstellung einer leicht hügeligen, hellen Landschaft (Abb. 2). Dort befinden sich vier männliche Personen – zwei sitzend, zwei stehend -, die alle nach oben schauen. Die beiden Personen auf der rechten Seite sind eher dunkel dargestellt und richten ihre Körper nach links, während die beiden Figuren auf der linken Seite nach rechts gerichtet sind und direkt von hellem Licht beschienen werden. Ihre Köpfe im Profil, erstaunt oder beunruhigt auf etwas hinweisend, gestikulieren alle vier mit ihren Armen und Händen in den Himmel blickend. Sie betrachten einen über ihren Köpfen schwebenden, im Profil dargestellten Drachen; mit langem, nach links schmaler werdendem geschwungenem Schwanz, einem ovalen, leicht geschupptem Körper, zwei kurzen aufgesetzten fledermausähnlichen Flügeln sowie zwei angewinkelten Beinen mit Füßen und Krallen. Das kleine, nach rechts gerichtete Haupt des Drachens trägt zwei spitze Ohren. Sein schnabelähnliches Maul ist leicht geöffnet: Eine lange, schmale Zunge zeigt heraus.
Rechts eingefasst wird die Szene durch eine Baumgruppe mit zwei Stämmen, deren belaubte Krone rechts sowie oben vom Bildrand angeschnitten wird und den Boden unter dem Baum sowie die unter dem Baum sitzend platzierte Figur beschattet. Über dem Drachen schwebt ein leicht geschwungenes Schriftband mit einem zweizeiligen Text.
Insbesondere die männliche Figur links trägt höfisch anmutende Garderobe im Stile des Barock. Die drei anderen Personen sind schlichter gekleidet. Der weiter hinten stehende Mann stützt sich beim Gehen auf einen Stock.
So ungewöhnlich diese Szene an sich schon ist, so auffällig ist, dass vom Augenpunkt der Personen aus strahlenförmig viele gerade Linien zum Drachen führen – oder umgekehrt. Diese "Sichtlinien" der Vier überlappen sich unterhalb des Drachens. Somit scheint die Darstellung ein visuelles Phänomen bzw. das Sehen an sich zu thematisieren. Der Eindruck einer historischen wissenschaften Illustration wird dadurch verstärkt, dass für diesen Vorgang bedeutende Stellen im Bild mit Großbuchstaben von A bis F markiert sind.

Verwendungskontexte

Im einführenden Text zum Heft 287 der Zeitschrift Kunst+Unterricht hieß es: "Das Titelbild macht deutlich: Beurteilungen und Bewertungskriterien unterliegen verschiedenen Voraussetzungen, u.a. denen der Wahrnehmung. Von unterschiedlichen Standpunkten aus bietet derselbe Gegenstand völlig verschiedene Ansichten." (Peez 2004, S. 3) Das Bild dient also der "Visualisierung des konstruktivistischen Denkansatzes", "wonach es keine vom Beobachter unabhängige Wirklichkeit" (Klant 2008, S. 19) gebe – so der Kunstdidaktiker Michael Klant, sich auf dieses Titelbild beziehend. "Beurteilen zu können erfordert ein Bewusstsein über den eigenen Blickwinkel und Standpunkt, aber auch die Fähigkeit, die Vorstellungen und Kriterien der anderen annähernd zu verstehen." (Peez 2004, S. 3) Diese Abbildung wird hier demnach genutzt, um die Perspektivität der Wahrnehmung zu verdeutlichen. Denn Aspekte von Welt sind uns jeweils nur unter unserem eigenen, gegenwärtigen Blickwinkel zugänglich. Der Betrachter des Bildes wiederum kann – systemtheoretisch und konstruktivistisch gedacht – die Beobachtung der Beobachter beobachten und somit ist er durch das Bild in der Lage, eine Beobachtung zweiter Ordnung auszuführen.
Eine kurze Internetrecherche offenbart weitere Nutzungskontexte: vom Bewusstwerden der Abhängigkeit von äußeren Autoritäten im Rahmen einer Burnout-Prophylaxe, über die Illustration von Drachen und Dinosauriern, bis hin zur Erläuterung von Aspekten des Hinterfragens der Realität sowie Okultismus und gar Cannabis-Konsum.

Text auf dem Schriftband

Auf dem leicht geschwungenen, über dem Drachen platzierten Schriftband steht aus dem Lateinischen übersetzt geschrieben: "So flattern die Ebenbilder gleichsam wie Häutchen durch die Lüfte, wo es auch immer offensteht, wohin es auch immer erlaubt ist, werden sie verbunden getragen." Auf einer darunter liegenden Abbildung mit einem Baumstamm links und einer schematischen Darstellung eines Querschnitts durch einen Augapfel rechts (Abb. 3) befindet sich ein weiteres Band mit dem Spruch: "Unablässig wird jedes Ding von allen Dingen flüssig weggetragen und auf alle Seiten in alle Richtungen zerstreut. Lukrez". Die Darstellung des Augapfels bestätigt die Vermutung, dass es sich hierbei um Abbildungen darüber handelt, wie Sehen physikalisch vonstatten geht. Der römische Philosoph Lukrez wird als Quelle dieser Vorstellung genannt. Beides gilt für die ähnliche, offensichtlich stilistisch ältere Fassung dieser Thematik (Abb. 4).

Sehen ist Berührung

Lukrez, lateinisch Titus Lucretius Carus, war ein römischer Dichter und Philosoph, der im ersten Jahrhundert v. Chr. lebte. Sein einflussreichstes Werk ist das Lehrgedicht "De rerum natura" ("Über die Natur der Dinge"). Es thematisiert in Versen beispielsweise den Aufbau der Welt aus Atomen, die Bewegung der Atome und lieferte eine geschlossene Theorie der Wahrnehmung (Böhme 1997, S. 27). Abbildung 2 illustriert einen Ausschnitt aus dem sechsten Buch "Naturerscheinungen": So wie kleinste Teilchen, die Atome als Duft von den Dingen in unsere Nase und auf die Schleimhäute gelangen, um dort einen bestimmten Reiz zu evozieren, so verhält es sich nach Lukrez auch mit dem Sehen.
"Es muß notwendig aus allem, was irgend wir sehen,
Ständig ein Strom von Atomen erfließen und weiter sich breiten,
Die in die Augen uns dringen und unseren Sehnerv reizen;
Unaufhörlich entströmen gewissen Stoffen Gerüche, […]
Unaufhörlich durchfliegen verschiedene Töne die Lüfte; […].
So fließt allenthalben aus allerhand Stoffen der Stoffe
Ständiger Strom und verteilt sich sodann nach jeglicher Seite.
Nirgends gibt es da Ruhe noch Rast im beständigen Flusse.
Denn stets wach ist ja unser Gefühl, und wir können beständig
Alles erblicken und riechen und alle Geräusche vernehmen."
(http://www.textlog.de/lukrez-natur-atomstrom.html, VI, 921–935)
Lukrez erklärt die Wahrnehmung so, dass von der Oberfläche der Dinge ein ununterbrochener Strom feinster Materie abfließe, der die Luft als Transmitter nutze und im Vorgang des Sehens durch das leicht poröse Auge sich in uns übertrage. "Dieser selbstständige Bilderstrom macht das Sehen zur Berührung. […] Die Bilder machen sich selbst, lösen sich von den Dingen […] ab und füllen den Menschen im Wachen wie im Schlaf mit Vorstellungen." (Böhme 1997, S. 27) "Sehen erscheint in diesen ‚Empfangstheorien‘ als ein besonderer Fall des Tastens", so der Erziehungswissenschaftler Christoph Wulf (Wulf 1997, S. 448).
Die Schriften Lukrez‘ wurden erst in der Renaissance wiederentdeckt (Greenblatt 2012), dann vervielfältigt, gedruckt und gelesen. Ihr Einfluss auf die Naturwissenschaften dieser Zeit war groß. So bezieht sich etwa der deutsche Theologe, Philosoph, Erfinder und Optiker Johann Zahn (1641-1707) in seinem Hauptwerk "Oculus artificialis teledioptricus sive telescopium" (erste Auflage 1687; zweite, erweiterte Auflage 1702) auf Lukrez. Auch Isaac Newton (1643-1727) stellte sich das Licht als Teilchen vor. Auf die Darstellung aus der ersten Auflage des Buchs Johann Zahns (Abb. 4) greift die diesem Beitrag zugrunde liegende Abbildung 2 zurück, die für die zweite Auflage 1702 gestochen wurde.

Weiterführende Gedanken

• Durch die Erkundung des zunächst rätselhaft erscheinenden Bildes werden wir uns der Modellhaftigkeit unserer Vorstellung vom Sehen an sich gewahr. Jede Erklärung, wie Sehen erfolgt, sollte uns letztlich als ein Konstrukt bewusst sein. Ob Licht Welleneigenschaften besitzt oder Teilchencharakter hat, darüber wurde lange geforscht und gestritten. Die Quantenphysik spricht inzwischen vom "Welle-Teilchen-Dualismus", der besagt, dass mikroskopische Teilchen in bestimmten Situationen Wellen-Charakter zeigen. Oder anders ausgedrückt: Licht verhält sich je nach Situation wie eine Welle oder ein Teilchenstrahl. Die geläufigsten Erscheinungen mit Licht können mit Wellen erklärt werden. Der Photoelektrische Effekt jedoch – mit Licht bestrahltes Metall sendet Elektronen aus -, legt die Teilchennatur des Lichts nahe (Demtröder 2005, S. 109; Schwabl 2008, S. 59).
• Tief beeindruckt von Lukrez’ Gedankenansätzen war Albert Einstein, der 1905 das Lichtquantenmodell entwickelte, das – im Gegensatz zum im 19. Jahrhundert dominanten und anerkannten Wellenmodell – besagt, dass Licht aus Teilchen (Photonen) besteht. Zu der Lukrez-Übersetzung des Philosophiehistorikers und Religionswissenschaftlers Hermann Diels schrieb Albert Einstein im Geleitwort: "Auf jeden, der nicht ganz im Geiste unserer Zeit aufgeht, sondern seine Mitwelt und speziell der geistigen Einstellung der Zeitgenossen gegenüber sich gelegentlich als Zuschauer fühlt, wird das Werk von Lukrez seinen Zauber ausüben." (Einstein 1924, S. 671) Im Zitat Einsteins scheint letztlich das auf, was wir heute als Grundgedanke eines durchaus auch ästhetisch geprägtem Konstruktivismus identifizieren. Unterschiedliche Modelle über das Sehen wirken nicht nur durch ihre Logik oder Nachvollziehbarkeit, sondern können – auch für einen Physiker – einen "Zauber" entfalten.
• Ob Photon, Teilchen, Häutchen, Wellen, beständiger Strom oder Schüppchen: Unser Verständnis des Sehens fußt weitgehend auf Metaphorik, also auf sprachlichen Bildern. Nach Auffassung des Philosophen Hartmut Böhme wird durch die von Lukrez genutzen metaphorischen Verben die "Sphäre der Berührung und zarten Durchdringung" vielfältig deutlich (Böhme 1997, S. 28).
• Im "Materialismus" Lukrez‘ fällt besonders die Erklärung für die Entstehung der Phanasie und des Träumens auf, dass nämlich diese Häutchen der Dinge im Kopf verbleiben und dort vermischt in den (Alp-) Träumen wirksam sind:
"[…] Über die Bilder der Dinge: so nennen wir diese Gebilde,
Die von der Oberfläche der Körper wie Häutchen sich schälen
Und bald hierhin bald dorthin umher in den Lüften sich treiben.
Dies sind dieselben Gebilde, die nachts im Traum, wie im Wachen
Uns begegnen und schrecken. Da sehen wir öfter Gestalten
Wunderlich anzuschauen und Bilder dem Lichte Entrückter,
Die aus dem festesten Schlummer empor mit Entsetzen uns wecken.
Aber man bilde nicht etwa sich ein, die Seelen der Toten
Könnten dem Orkus entfliehn und als Schattengespenster umflattern
Uns Lebendige […]." (http://www.textlog.de/lukrez-natur-bilderlehre.html, IV, 30–41)
Nicht nur Albert Einstein betonte, dass es ein Hauptziel des Werkes von Lukrez war, die Leser "von der Notwendigkeit des atomistisch-mechanischen Weltbildes zu überzeugen" (Einstein 1924, S. 672) und somit aufklärerisch zu wirken, nämlich die Menschen von den durch Mystik und Aberglauben ausgelösten Ängsten zu befreien (Einstein 1924, S. 671f.; Greenblatt 2012). Die Seelen der Toten können nicht aus der Unterwelt wieder auftauchen, so argumentiert Lukrez; es gibt keine Geister oder Gespenster.
• Mit solchen Grundgedanken und den Modellen der visuellen Wahrnehmung sollten wir uns häufiger beschäftigen, um unser Wissen als "Experten für das Bild" (Freiberg 1995, S. 22; vgl. Kirschenmann 2002, S. 37) u.a. historisch zu erweitern und zu hinterfragen – und nicht zuletzt um die Haltung der Beobachtung zweiter Ordnung einzuüben.

• Programmatisch und handlungsleitend formulierte Johannes Kirschenmann dementsprechend: "Die exzessive Zeichenvermengung, das fortwährende Zitieren und Adaptieren, durch die bildgebenden Verfahren des Computers noch verstärkt, lassen die Bilder von Welt scheinbar recht schnell erkennen. […] Die Erfahrungsbilder der Kunst werden als Erkenntnisbilder einer historischen und vor allem heutigen Erfahrung wichtig. Die Kunstpädagogik spürt dabei die Ähnlichkeiten und Signaturen (Foucault) zwischen den Bildern auf. Die Bilder sollen also nach den Ähnlichkeiten ihrer Zeichen untersucht werden: im Pendeln zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen Kunstbild und massenmedialem Bild. Liegen Ähnlichkeiten im Zeichenvergleich vor, was geht kulturgeschichtlich ineinander über, was ist Zitat, was ist Ideologie? Was wird aus welchen Quellen gespeist?" (Kirschenmann 2002, S. 38)

Dank

Wir danken Gisela Meyer Stüssi lic. phil., Bern, für die Arbeitsübersetzung Latein-Deutsch der Texte auf Abb. 2 u. 3.

Literatur

Böhme, Hartmut: Elemente – Feuer Wasser Erde Luft. In: Wulf, Christoph (Hg.): Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim/Basel 1997, S. 17-45
Demtröder, Wolfgang: Experimentalphysik 3. Atome, Moleküle und Festkörper, 3. Auflage, Berlin/Heidelberg 2005
Einstein, Albert: Geleitwort zur Erstausgabe (1924). In: Lukrez/Diels, Hermann (Übersetzung): Von der Natur. Sammlung Tusculum, Mannhein 1994, S. 671-672
Freiberg, Henning: Thesen zur Bilderziehung. In: BDK-Mitteilungen 2/1995, S. 21-23
Greenblatt, Stephen: Die Wende. Wie die Renaissance begann, München 2012
Kirschenmann, Johannes: Zwischen den Bildern pendeln! In: Kunst+Unterricht, 268/2002, S. 37-38
Klant, Michael: Die Chimäre der Notengebung. In: Peez, Georg (Hg.): Beurteilen und Bewerten im Kunstunterricht. Modelle und Unterrichtsbeispiele zur Leistungsmessung und Selbstbewertung, Seelze 2008, S. 19-20
Kunst+Unterricht: Beurteilen und Bewerten, 287/2004.
Lukrez: De rerum natura. Übersetzung von Hermann Diels 1924. In: http://www.textlog.de/lukrez-natur-dinge.html (11.07.2013)
Peez, Georg: Zu diesem Heft. In: Kunst+Unterricht: Beurteilen und Bewerten, 287/2004, S. 3
Schwabl, Franz: Quantenmechanik für Fortgeschrittene, 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2008
Wulf, Christoph: Auge. In: Wulf, Christoph (Hg.): Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim/Basel 1997, S. 446-463
Zahn, Johannes: In quo Comprimis de materia & forma Artificiali apti Diaphani ad perfectionem Oculi Artificialis Teledioptrici: Deinde de varia lentium diaphanarum tam inter se quam cum Oculo Naturali combinatione: Tandem & de ipsis machinis sive instrumentis Teledioptricis cum Oculo Naturali comparatis Methodice, Genuine, ac Mathematice tractatur. Würzburg (Herbipoli Heyl) 1687. http://katalog.slub-dresden.de (11.07.2013)
Zahn, Johann: Oculus Artificialis Teledioptricus Sive Telescopium, 2. Auflage, Nürnberg 1702. In: http://www.bibliotheque-numerique-cinema.fr/notice/?i=33085 (11.07.2013)

Abbildungen

Abb. 1 Cover von Heft 287/2004 der Zeitschrift Kunst+Unterricht.
Abb. 2 Illustration, die Abb. 1 zugrunde lag, aus dem Buch "Oculus Artificialis Teledioptricus Sive Telescopium" von Johannes Zahn, 1702, S. 210.
Abb. 3 Illustration aus dem Buch "In quo Comprimis de materia" von Johannes Zahn, 1687, S. 203.


Bibliografische Angaben zu diesem Text:

Bütikofer, Katharina / Peez, Georg: "Über die Bilder der Dinge". Modelle des Sehens. In: Lutz-Sterzenbach, Barbara/ Peters, Maria/ Schulz, Frank (Hg.): Bild und Bildung. München (kopaed) 2014, S. 661-670


Mitarbeit und Engagement

Mitarbeit u. Engagement

Pluralität gegenwärtiger Bewertungskriterien – primär auf das Engagement am Kunstunterricht bezogen

Georg Peez

Neben den bis in die Gegenwart hineinwirkenden historischen Bewertungsverfahren (vgl. Basisartikel K+U 287/ 2004) werden in der Literatur und vor allem in den Lehrplänen allgemeine Bewertungskriterien genannt, die in Bezug auf Kunstunterricht stets eine Rolle spielen. Diese folgenden Kriterien zielen vornehmlich nicht auf bildnerische Produkte, die im Kunstunterricht entstehen, sondern primär auf Aspekte der Mitarbeit, der Teilnahme und des Engagements am Unterricht.
– sinnvolle Anwendung von Gelerntem,
– Problemlösungskompetenzen,
– mündliche Mitarbeit in Qualität und Konstanz,
– Fähigkeit zur Kooperation in Gruppen,
– schriftliche Leistungen,
– Kompetenzen in der Analyse bildnerischer Phänomene,
– Wissensrepertoire,
– Arbeitsintensität und -aufwand,
– Anspruchsniveau der Schülerin bzw. des Schülers,
– gute Beobachtungsgabe,
– forschendes Lernen,
– authentischer Ausdruck persönlicher Erfahrungen,
– Originalität, Einfallsreichtum für neue Lösungen,
– assoziativer, freier Umgang mit Aufgabenstellungen,
– spielerisch-assoziativer Umgang mit Ideen in Bezug zu den bildnerischen Mitteln und Materialien,
– widerständiges Denken,
– Bewusstwerden und Irritieren von Wahrnehmungsprozessen,
– Selbstbeurteilungsvermögen und Fähigkeit zur Reflexion,
– Orientierung an bildnerisch-künstlerischen Vorbildern und selbstständige Verarbeitung dieser,
– Sensitivität gegenüber (funktionaler) Gestaltung,
– großes Maß an Imagination und Fantasie,
– Erkennen und Artikulieren bildnerischer Probleme,
– Engagement und Neugierde am Bildnerischen im Unterricht,
– instrumentelle, motorische und handwerkliche Fähigkeiten

(Kriterien z. T. zusammengestellt nach Otto 2 1969, S. 142ff.; Aissen-Crewett 1992, S. 115f.; Krause 1998; Literaturhinweise vgl. Basisartikel, in Kunst+Unterricht 287/2004, S. 11).
Das Problematische an solchen Kriterienlisten ist allerdings, dass die Gefahr besteht zu einfachen Checklisten zu werden. Einzelne Aspekte sollten deshalb nicht isoliert betrachtet und bewertet werden. Denn dies entspräche nicht einer komplexen Gesamtschau der Schülerleistungen.


Bibliografische Angaben zu diesem Text:

Peez, Georg: Mitarbeit und Engagement. Pluralität gegenwärtiger Bewertungskriterien. In: Kunst + Unterricht, Heft 287, 2004, S. 25


Evaluation des eigenen Kunstunterrichts

Georg Peez / Michael Schacht

Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler zum Unterricht geschehen in der Schule häufig, zumeist informell oder nebenbei: Man schnappt die Äußerung einer Schülerin beim Verlassen des Kunstraumes auf oder das Gesicht eines Schülers während der Stunde scheint Bände zu sprechen. Auch die Ergebnisse eines Tests lassen Aussagen darüber zu, ob und inwieweit die Klasse das Behandelte gelernt hat und nun anwenden kann. Seltener ergibt sich ein intensives Gespräch über die Qualitäten und Merkmale des Unterrichts. Solche Rückmeldungen können jedoch auch für Lehrende sehr aufschlussreich sein (vgl. das abschließende Kapitel des Basisartikels in "Kunst+Unterricht" 287/ 2004, S. 11).
Die hier vorgeschlagenen Evaluationsanregungen sollen vor allem helfen, ein Gespräch über den Kunstunterricht oder eine bestimmte Unterrichtseinheit zu initiieren.

"Du hast es in der Hand!"

Alle Schülerinnen und Schüler bekommen ein leeres A4-Blatt Papier. Jede/r legt eine Hand auf das Blatt und zeichnet mit einem Stift in der anderen Hand den Umriss nach. Jedem Finger werden nun Antworten auf Auswertungsschwerpunkte, die den Unterricht/ Kurs betreffen, zugeordnet:
– Daumen ("Daumen hoch"): "Das hat mir besonders gut gefallen."
– Zeigefinger ("Zeigen"): "Hierauf möchte hinweisen. Dies fiel mir auf."
– Mittelfinger ("Stinkefinger"; "F… you"): "Das hat mir gar nicht gefallen."
– Ringfinger ("Gefühl"): "Folgendermaßen habe ich mich gefühlt."
– Kleiner Finger ("kurz"): "Das kam meines Erachtens zu kurz."

In oder an den jeweiligen Fingerumriss werden die passenden Aussagen geschrieben. Der Vorteil dieser Methode ist, dass alle Teilnehmenden zu sehr unterschiedlichen Bereichen Stellung beziehen können.
Der Zeitbedarf liegt bei etwa 10 bis 20 Minuten für das Erklären der Methode incl. des Ausfüllens der Hände. Nachdem alle ihre "Handzettel" ausgefüllt haben, können die Blätter an eine Wand gepinnt oder geklebt und anschließend gelesen werden. Ein kurzes Gespräch oder eine längere Diskussion können sich anschließen. Denkbar ist aber auch, alle Blätter lediglich in Ruhe herumzureichen und durchzulesen.

Walk the Line

Quer durch eine große freie Fläche (beispielsweise im Gang oder auf dem Schulhof) wird mit Kreide, Klebeband oder einem Seil eine Linie markiert. An den beiden Endpunkten werden Karten/ Papierblätter mit einem Gegensatzpaar angebracht, das sich zur Bewertung oder Einstufung eignet (wie z.B. "+ / -" oder "zu viel / zu wenig" oder ein lachendes und ein trauriges Gesicht). Die Mitte der Linie wird mit einem entsprechenden Neutralpunkt markiert.
Die Schülerinnen und Schüler geben ihre Antworten auf eine Reihe vorbereiteter (oder auch spontan gestellter) Auswertungsfragen, indem sie sich entsprechend ihrer Meinung auf der Linie aufstellen – näher zu dem einen oder dem anderen Pol. Bei komplexeren Fragen oder zur Vertiefung sollten zumindest einige Schülerinnen und Schüler Gelegenheit haben, von ihrem gewählten Platz aus zu der Fragestellung mündlich "Position zu beziehen".
Zu Dokumentationszwecken können die Aufstellungen fotografiert oder ausgezählt und auf eine Skizze der Auswertungslinie übertragen werden.
Der Zeitbedarf liegt bei 5 Minuten Vorbereitung, 2 Minuten Erklärung und 1 bis 5 Minuten pro Fragestellung.


Bibliografische Angaben zu diesem Text:

Peez, Georg/ Schacht, Michael: Evaluation des eigenen Unterrichts. In: Kunst + Unterricht, Heft 287, 2004, S. 36-37


Ästhetisches Urteil und Evidenzurteil

Georg Peez

Ein "Klassiker" der Bewertungsmethoden ist das spontan gefällte Urteil, das so genannte Evidenzurteil. Eine Schülerarbeit wird von der Lehrperson betrachtet. Der entstehende Eindruck verdichtet sich in kürzester Zeit zu einer Bewertung, einer endgültigen Note. "Es ist ein gefühlsmäßiges, ganzheitliches Schauen gepaart mit einer Besinnung auf die Lehrerabsichten." (Hiebner 1985, S. 338) Häufig wird das Evidenzurteil in der Weise abgewandelt, dass der Klassensatz zunächst in drei Stapel sortiert wird: gut, mittelmäßig und nicht mehr mittelmäßig (Abb.). Reinhard Pfennig gliederte "drei etwa gleichgroße Wertgruppen (…):

A. Aufgabe verstanden und selbständig ‚original‘ gelöst,

B. Aufgabe verstanden, aber ohne besonderen selbständigen Beitrag gelöst,

C. Aufgabe nicht verstanden, keine brauchbare Lösung gefunden." (Pfennig 5 1974, S. 181) (Den Gründen, warum eine Aufgabe nicht verstanden wurde, geht Pfennig allerdings nicht weiter nach.)

Eine weitere Differenzierung bildet die Methode der so genannten Rangreihe.

Eine Legitimation für diese Methode findet sich hingegen in der Philosophie Kants. Denn ein ästhetisches Urteil ist demnach immer ein Geschmacksurteil. In seiner Schrift "Kritik der Urteilskraft" (1790) versuchte Immanuel Kant die ästhetische Urteilskraft als unabdingbare Voraussetzung eines Verstehens der Kunst nachzuweisen. Kant erörtert das Problem, wie das Besondere, das der Anschauung etwa durch ein Standbild gegeben ist, mit dem Allgemeinen, nämlich den ästhetischen Normen verbunden wird. Mit anderen Worten: wie wir beispielsweise ästhetische Normen auf spezifische ästhetische Phänomene anwenden. Nichts anders tun wir auch "unbewusst" im Evidenzurteil. Im Gegensatz zu erkenntnisbezogenen Urteilen kann ein ästhetisches Urteil aber nicht auf objektive Bestimmungsgründe zurückgeführt werden, so Kant. "Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann." (Kant 1790) Doch zugleich zeigt es über die Subjektivität hinaus: Wir stellen nämlich damit den Anspruch, dass andere Menschen beim Anblick dieses Werkes das empfinden werden, was wir selbst als Grund für unser Urteil erfahren, nämlich eine intersubjektive Lust, eine von bloß individuellen Interessen am Gegenstand losgelöstes zweckfreies Wohlgefallen. Damit wird diesem Urteil – und somit auch dem Evidenzurteil – ein intersubjektiver Anspruch auf Allgemeingültigkeit unterstellt.

Die Nachteile der auf Evidenzurteilen beruhenden Verfahren vor allem in kunstpädagogischen Kontexten liegen auf der Hand: Es ist weniger die Subjektivität der Bewertung als vielmehr vor allem die fehlende Transparenz, die Nicht-Begründbarkeit des Spontan-Urteils sowie dass Kunstunterricht bestimmte kunsterzieherische Absichten verfolgen sollte, die bei diesem Bewertungsverfahren kaum in die Überlegungen einfließen.

Literatur

  • Hiebner, Hans-Günther: Bewertung und Benotung bildnerischer Arbeiten im Kunstunterricht. In: Menzer, Fritz (Hg.): Forum Kunstpädagogik. Festschrift für Herbert Klettke. Baltmannsweiler (Schneider Verlag) 1985, S. 335-352

  • Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. 1790. In : http://gutenberg.aol.de

  • Pfennig, Reinhard: Beurteilung und Bewertung. In: Pfennig, Reinhard: Gegenwart der bildenden Kunst. Erziehung zum bildnerischen Denken, Oldenburg 5 1974, S. 180-182


Bibliografische Angaben zu diesem Text:

Peez, Georg: Ästhetisches Urteil und Evidenzurteil. In: Kunst + Unterricht, Heft 287, 2004, S. 38


Beurteilen und Bewerten im Kunstunterricht

Georg Peez

Bewerten und Benoten ist selbstverständliche Praxis im Kunstunterricht, die aber immer wieder zu kontroversen Diskussionen Anlass gibt. Welche Verfahren des Bewertens werden gegenwärtig angewandt und haben sich bewährt? Welche Verfahren des Beurteilens vermitteln zwischen dem oft vorhandenen Unbehagen am Bewerten einerseits und seiner Notwendigkeit andererseits?

… in der Schule, in der Kunst, im Alltag

Zunächst ganz grundsätzlich: Beurteilungen und Bewertungen sind für nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Dies trifft sowohl auf die Pädagogik – insbesondere innerhalb der Schule – als auch auf die Kunst – hier auf Kunstkritik, Kunstmarkt und Kunstgeschichte zu. Bildnerische Gestaltungen und Kunst – ob angewandt oder frei – sind keinesfalls wertfreie Zonen. Bereits im Alltag fällen Kinder und Jugendliche ständig Urteile, die auf ästhetischen Vorlieben und Bewertungen basieren, sei es die "geile Grafik" eines Computerspiels, die Entscheidung für ein Poster, das man im Klassenraum aufhängen möchte und über das sich die Klasse nicht einig wird, sei es die Wahl für ein bestimmtes T-Shirt beim morgendlichen Anziehen.

Abb. 1 Wird ein Werk gemeinsam gestaltet – wie hier eine Monotypie – , so muss man sich ständig abstimmen. Dies schließt ästhetische Urteile mit ein, die gegenseitig erläutert und begründet werden müssen. (aus dem Unterricht von Martin Dürk u. Georg Peez)

Zweifellos unterliegen bildnerische Gestaltungen sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Raum ästhetischen Urteilen und bewertenden Einschätzungen (Abb. 1). Doch warum tut sich die Kunstpädagogik dennoch häufig schwer mit dieser Thematik? Im Studium wird dieses Thema aus den „"Niederungen der Praxis des Kunstunterrichts" gemieden bzw. ignoriert. Erst im Referendariat beginnt notgedrungen eine intensivere Auseinandersetzung.

Pluralität, Kontext, Transparenz und Motivation

Im Mittelpunkt dieses Themenheftes stehen verschiedene Konzepte der Leistungsbewertung – eine Bezeichnung, die sich in den meisten Lehrplänen des Schulfaches "Kunst" bzw. "Bildende Kunst" oder "Kunsterziehung" findet. Es wird bewusst auf Pluralität gesetzt. Denn eine Leistungsbewertung ist von den Schwerpunkten des jeweiligen Unterrichts abhängig, an dessen Ende die Bewertung erfolgt. Beispielsweise können soziale Aspekte in die Bewertung mit einfließen, wenn im Unterricht die Kooperation, etwa in Gruppenarbeit oder an Stationentischen, eine große Rolle für die Generierung der bildnerischen Unterrichtsergebnisse spielte. Der Thementeil stellt unterschiedliche Praxen der Leistungsbewertung im Kontext dazu gehörender Unterrichtseinheiten vor. Vornehmlich auf Deskription beruhend soll transparent werden, warum dieser Unterricht so und nicht anders durchgeführt wurde und wie und warum eine Bewertung von Schülerarbeiten daraufhin so und nicht anders erfolgte.
Die Auswahl der Themenbeiträge für das vorliegende Heft richtete sich vornehmlich nach diesem Gesichtspunkt der Transparenz der Entscheidungsfindung vor allem für die Schülerinnen und Schüler; womit bereits ein wichtiges allgemeines Kriterium zur Güte eines Bewertungsverfahrens für den Kunstunterricht genannt ist. Insbesondere sollen durch die Transparenz der Beurteilungskriterien Antworten auf die Frage erreicht werden, wie und warum ästhetische Normen gesellschaftlich, aber auch intersubjektiv entstehen. Ein weiteres Gütekriterium ist dem pädagogischen Ethos geschuldet: die zur Weiterarbeit motivierende Ermutigung, die von der Beurteilung ausgehen sollte (ausführlich dargelegt in Legler 1989, S. 64ff.).

Beurteilen, Bewerten, Benoten

Im Wort "Beurteilung" klingt die eingehende, gewissenhaft abwägende Begründung für eine Meinungsäußerung durch wie auch tendenziell im Wort "Bewerten". Zentral ist aber der Unterschied zwischen Beurteilung und Bewertung auf der einen und Benotung bzw. Zensurengebung auf der anderen Seite. (censere lat. "zählen, schätzen") Die Ziffernzensur ist die quantifizierende Reduktion einer Leistungsbewertung am Ende eines Beurteilungsprozesses auf eine Zahl (zu den historischen Wurzeln: Graul 1996).
Systemtheoretisch gesehen ist Pädagogik einerseits dem Individuum und andererseits der Gesellschaft verpflichtet. Dem Individuum gegenüber zielt Pädagogik auf Vermittlung von Wissen und Kompetenzen, der Gesellschaft gegenüber muss Pädagogik Selektionsfunktionen übernehmen. Der Bereich, in welchem die individuelle Aneignung von Wissen und Kompetenzen an die gesellschaftlich erforderten Selektionsoperationen ankoppelt, ist die Überprüfung der individuell, weitgehend verborgen erfolgten Aneignungsleistung. Für die soziale Gemeinschaft muss das Ergebnis dieser Überprüfung freilich leicht rezipierbar fixiert werden. Dies geschieht durch die Zensur (Kade 2003, S. 95).

Eine vergleichbare Vereinfachung so komplexer Leistungen findet sich zwar in keinem anderen gesellschaftlichen Subsystem (vgl. hierzu den immer noch lesenswerten Text von Gunter Otto 1972). Doch angesichts der Gefahr, dass "Bildende Kunst" nicht mehr als vollwertiges Unterrichtsfach betrachtet werde, sehen viele Kolleginnen und Kollegen die Benotung mit der Ziffernzensur als ein notwendiges Übel des schulischen Kunstunterrichts an. Die Zensur bildet eine Konzession an die Gleichwertigkeit gegenüber anderen Fächern (Krause 1998; Kirchner/ Otto 1998, S. 11). Und doch "schöpfen" Kunstlehrende die Notenskala selten "voll aus". Wichtige, teils konträre Funktionen der Note sind u.a.:

  • Rückmeldefunktion für die Schülerinnen und Schüler,
  • Rückmeldefunktion für die Eltern (die der Note im Fach Kunst allerdings nur perifäre Bedeutung beimessen),
  • Disziplinierungsfunktion,
  • Sozialisierungsfunktion (Gewöhnung an standardisierte Leistungsnormen in der Gesellschaft; vgl. die aktuelle Debatte um Bildungsstandards)
  • die Funktion innerhalb eines Initiationsrituals (etwa in der Abiturprüfung, s. u.),
  • Funktion der Hinführung zur Standardisierung von Unterrichts- und Lerninhalten,
  • Anreizfunktion, die pädagogische Maßnahme zur Förderung der Lernentwicklung (zugleich aber auch Demotivation),
  • die gesellschaftliche Funktion der Selektion, Klassifikation und Steuerung im Bildungssystem. (Bahr u.a. 1985, S. 18)

Die Schulformen, die stärker dem Fördergedanken als dem Selektionsgedanken verpflichtet sind (Grundschulen, Sonderschulen), haben bereits Erfahrungen mit der verbalen Beurteilung gesammelt ("Worte statt Zensuren"). Lehrende der Sekundarstufen können Einfluss darauf nehmen, dass die Ziffernnote im Unterricht nicht das Wichtigste ist, indem der Note eine eingehende verbale Beurteilung vorausgeht).

Schritt für Schritt

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich stets zu verdeutlichen, dass ein Bewertungsprozess in der Schule zweiphasig (Bahr u.a. 1985, S. 21ff.) verläuft:

(1) Der erste Schritt ist die Ermittlung gewisser Beurteilungskriterien. Diese Bewertungskriterien haben mindestens vier Bezugsgrößen.

(1a) "objektive Relation" (Bezug zum Lernziel / Inhalt), vereinheitlichend, normiert leistungsbezogen, wie etwa in der PISA-Studie;

(1b) "intersubjektive Relation" (Bezug zur Lerngruppe), am Unterricht in einer bestimmten Klasse orientiert;

(1c) "subjektive Relation" (Bezug zur Schülerin bzw. Schüler), Ausrichtung nach den Vorkenntnissen und Fähigkeiten der einzelnen, deren individuellen Lernfortschritten;

(1d) ästhetisches Empfinden der Lehrerin oder des Lehrers (Kirschenmann/ Otto 1998, S. 101). Letzteres ist ein sicher kontrovers zu erörterendes Kriterium, weil es für die Subjektivität in der Notengebung steht und einem gerade im Fach "Kunst" sowieso wohl kaum zu erreichenden Objektivierungsanspruch widerspricht.

Wie diese Relationen zueinander zu gewichten sind, liegt im Ermessen der Lehrkraft. In der Schulpraxis wird – wohl meist unbewusst – eine Mischung aus allen vier Arten der Bewertungskriterien angewandt .

(2) Der zweite Schritt ist die Zensierung, d. h., die Zuordnung eines Gesamturteils zu einer Note oder Punktzahl. Letztlich ist der erste Schritt der für die inhaltliche Auseinandersetzung spannendere, weshalb er im Mittelpunkt dieses Themenhefts steht.

Ein wichtiger Gedanke, der von den unterschiedlichsten Autorinnen und Autoren immer wieder genannt wird (u. a. Kirschenmann/ Otto 1998, S. 101; Seydel 2003, S. 35), ist der, dass nicht jede (praktische) Aufgabe im Kunstunterricht sich dafür eignet, benotet zu werden. Dies gilt beispielsweise für Aufgabenstellungen mit einem großen Anteil biografisch-emotionaler Verarbeitung.

Abb. 2 Wilhelm Busch (1832-1908) Aufrisszeichnung zu „Maler Klecksel“ 1884. Das Urteil des Lehrers über die Schülerzeichnung ist im wahrsten Sinne des Wortes vernichtend, aber nur deshalb, weil die Zeichnung offenbar so treffend ist.
„Herr Bötel, der es nicht bestellt,
Auch nicht für sprechend ähnlich hält,
Schleicht sich herzu in Zornerregung;
Und unter heftiger Bewegung
Wird das Gemälde ausgeputzt.
Der Künstler wird als Schwamm benutzt.“

Prüfungen als Initiationsriten

Eine Prüfung kann als Initiationsritus angesehen werden. Nicht nur in traditionellen Gesellschaften finden Initiationen und hiermit zusammenhängende Riten vermehrt in der Zeit der Adoleszenz, in der Zeit des Aufbegehrens statt. (Denken wir an die Konfirmation oder Jugendweihe.) Die Herangewachsenen werden nach bestandener Prüfung und Anerkennung der Normen in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Einer solchen Prüfung gehen Belehrungen durch die Älteren voraus. Diese Belehrungen sind mit Druck und Ängsten gepaart (Abb. 2) (Meder 1993, S. 49). Wer sich dem initiierten Ritus der Älteren und ihren Normen nicht unterwerfen will, erfährt Sanktionen oder wird gar aus der Gemeinschaft verstoßen. Trennungsängste fördern die Anpassung.
Die Leistungsbewertungen lassen sich als Mittel der Disziplinierung im oben umrissenen Sinne ansehen (Foucault 1977). Die Älteren erwarten, dass die Jüngeren das in ihrem Sinne fortsetzen, was sie einst begannen bzw. selber übertragen bekommen haben. Demgemäß bestimmen die Älteren die Normen, Prüfungsregeln und Bedingungen dieser unterschiedlichen Initiationsriten. Sie fällen die Urteile. Sie versuchen soviel Einfluss wie möglich darauf zu nehmen, wer später in diesen Schlüsselpositionen entscheiden darf (Selektion); beispielsweise das Abitur bestehen kann, um nach erfolgreicher Erster und Zweiter Staatsprüfung selbst Lehrerin bzw. Lehrer zu werden. Prüfungen und Notengebung als Zurichtung erfolgen also stets durch selber einstmals Zugerichtete (Meder 1993; Gudjons 1996).

In dem Maße aber, in dem sich zwanghafte Bindungen an Traditionen lockern, in denen weniger auf Tradition als auf Innovation gebaut wird, in dem Maße verlieren die Initiationsriten ihren bedrohlichen Charakter. Ein spielerisches Variieren ist möglich. Hier liegt neben der Bewusstwerdung und Transparenz eine Chance für Veränderungen.

Zentralabitur

Da das Zentralabitur in allen Bundesländern früher oder später eingeführt werden wird, spielen die Bedingungen und engen Determinierungen eine Rolle, die das Zentralabitur für unser Fach mit sich bringt. Ob mündlich oder schriftlich, fordert die Prüfungsrelevanz ganz grundsätzlich einen nicht unerheblichen Tribut, u. a. das Eingebundensein in ein stringentes Regelwerk, ein Zeitkorsett, bestimmte Arbeitsweisen sowie den Zwang zur Versprachlichung, die hiermit "einhergehende Unterordnung und Reduzierung des Sinnlichen und Kreativen" (Maiwald 1996, S. 116). Ferner kommen ganze Bereiche des Faches bei den zentralen Aufgabenstellungen kaum oder gar nicht vor.

Der Kunstunterricht wird aus diesen Gründen der Überprüfbarkeit ein immer stärkeres Gewicht auf die Verfahren der Analyse von Kunstwerken legen müssen, da diese unter den Aufgabenstellungen des Zentralabiturs eine entscheidende Rolle spielen. Für den Diskurs im Fach mag es durchaus förderlich sein, wenn eklektizistische Sprach-, Methoden- und Kriterienregelungen einer zeitweisen Vergleichbarkeit weichen. Berichte und Einschätzungen von Kunstlehrenden, die bereits Erfahrungen mit dem Zentralabitur sammelten, liegen vor (z. B. Schuster 2001).

Allerdings: Angesichts des gegenwärtigen bildungspolitisch inszenierten PISA-Drucks, der Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien ist damit zu rechnen, dass es Kunst als Abiturfach in wenigen Jahren nicht mehr geben wird. Das Zentralabitur im Fach Kunst wird wohl schon bald eine Episode der Fachgeschichte geworden sein.

Förderung des ästhetischen Urteilsvermögens mittels Benotung?

"Wer in seinem eigenen Arbeitsprozess qualitative Unterschiede erkannt und bewusst verarbeitet hat, der ist auch in der Lage, auf der Grundlage dieser Erfahrung in einem anderen Werk Qualitäten zu erkennen und zu beurteilen." (Sievert 2000, S. 61) Ästhetische Urteile selbstständig bilden zu lernen, ist ein wichtiges und ganz grundsätzliches Ziel von Kunstunterricht (Otto/ Kirschenmann 1998, S. 103). Die Beurteilung ästhetischer Prozesse und Produkte ist aber zugleich auch Teil der Leistungsbewertung, also der Fremdbeurteilung. In allen Beiträgen dieses Heftes werden Strategien und Methoden vorgestellt, ob und wie selbstständige ästhetische Urteilsbildung unter den Bedingungen der fremdbestimmten Beurteilung erfolgen kann oder gar gefördert werden kann. Ein mehrfach aufgezeigter Weg ist die gemeinsame Suche nach differenzierten ästhetischen Beurteilungskriterien . Dies schließt die Möglichkeit ein, Urteile auch revidieren zu können, Prozesse und Produkte unter anderen Blickwinkeln noch einmal neu zu bewerten.

Wichtige Methoden, die ästhetische Urteilsbildung einzuüben, basieren auf Intersubjektivität, dem Gespräch:

– Prozesserfahrungen austauschen,
– Arbeitsergebnisse strukturieren und
– Präsentationen konzipieren (Seydel 2003, S. 34f.).
– Das individuelle, persönliche Gespräch im Arbeitsprozess zwischen Schüler/in und Lehrer/in über bildnerische Probleme (Manthey-Bail 1982, S. 135) ist zudem eine häufig angewandte fachdidaktische Methode.

Zugleich müssen Lehrende aber auch die Fähigkeit ausbilden, Prozesse der ästhetischen Urteilsbildung in zunächst unscheinbaren Schüleräußerungen zu erkennen. Hier hilft genaues Hinhören, Hinschauen, um das eigene Beobachtungsvermögen zu schulen (Peez 2003).

Bewertungsmethoden und -kriterien – gestern und heute

Die Geschichte des Zeichen- bzw. später des Kunstunterrichts ließe sich auch als eine Geschichte der Leistungsbewertung in diesem Schulfach schreiben. Denn in den Beurteilungsverfahren und -kriterien der einzelnen Epochen spiegeln sich stets die jeweiligen Lernziele – neuerdings auch Bildungsstandards genannt. Einige historische Schlaglichter sollen dies verdeutlichen:

Schülerarbeiten aus dem Zeichenunterricht des 19. Jahrhunderts ließen sich noch recht einfach bewerten: Je mehr das Ergebnis der Vorlage glich – seien es Ornamente, Landschaftsdarstellungen auf Stichen oder Gipsmodelle -, desto positiver fiel die Beurteilung aus (Otto 1998; Richter 2003). Die Inhalte waren durch das Vorlagenblatt streng vorgegeben. Als Kriterien in formaler Hinsicht dominierten detailreiche Korrektheit, Sauberkeit und Ordnung.

Ein Paradigmenwechsel in den Beurteilungsmaßstäben erfolgte erst durch die "Entdeckung" der "freien" Kinderzeichnung um 1900 (Staudte 1982). Pädagogen erkannten in ihr einen Wert an sich und waren bemüht, Beurteilungskriterien aus den nicht selten idealisierten "natürlichen" bildnerischen Äußerungen der Kinder zu entnehmen, etwa Einfachheit, Klarheit, aber auch Originalität und Expressivität. Denn hier ging es nicht um das bloße Abbilden, nicht um die naturalistische Wiedergabe, sondern um eine vom Kind erfasste und ausgedrückte "Ganzheitlichkeit". Diese Kriterien wurden zwar angeblich "vom Kinde aus" ermittelt, sie spiegelten aber zweifellos die weltanschaulichen Auffassungen der Erwachsenen vom idealisierten Kinde, vom "Genius im Kinde" (Hartlaub) wider (Staudte 1982).

Abb. 3 Bis in die 1960er Jahre hinein fanden sich in der kunstpädagogischen Literatur Werturteile wie diese. Aus: Betzler, Emil: Neue Kunsterziehung. Frankfurt a.M. (Hirschgraben Verlag) 2. Auflage 1956

"Diese Sehnsucht nach Vollkommenheit im angeblich Ursprünglichen steigerte sich in den Tendenzen der "Musischen Erziehung" vor und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg. Beziehungen zwischen der ebenso "natürlichen" Volkskunst und der Kinderzeichnung wurden systematisiert, um in einem zweiten Schritt hieraus Beurteilungsmaßstäbe abzuleiten. Schon als Kind, so ein führender Kunstpädagoge der Nachkriegsjahre, lege der Mensch Wert auf "gestalterische Qualität", die das "eigentliche Wesen alles Musischen" sei. Vor allem das Kind gebe "seinem Verlangen nach dem ideal Schönen und Vollkommenen Ausdruck" (Betzler 2 1956, S. 143). Bemüht sich ein Vierzehnjähriger hingegen um eine perspektivische Darstellungsweise, was seiner kognitiven Entwicklung entspricht, so wird das Ergebnis in einer Fachpublikation als "wertlos" oder "unecht" bezeichnet (Abb. 3 ) (ebd.). Diese auf diffusen, teils weltanschaulich kulturkritischen, teils nicht nachvollziehbar subjektiven Kriterien beruhende Intoleranz ließ die "Musische Erziehung" in der wirtschaftlich aufstrebenden BRD als ewig gestrig erscheinen.

Abb. 4 u. 5 Bekanntes Beispiel für ein ausgeklügeltes Bewertungssystem mit Punkten: Bild 4 wurde mit „sehr gut“ (18 Punkte) benotet, Bild 5 mit „mangelhaft“ (8 Punkte). Gunter Ottos Unterrichtsbeispiel „Pflanzen auf dem Meeresgrund“ (7. Klasse) aus dem rationalisierten Kunstunterricht der 1960er Jahre
Material: weißes Papier (A3), Probeblätter, Borstenpinsel, Deckfarben, Schwamm
Zwei von insgesamt sieben Kriterien:
Ausmaß der Überdeckung der Einzelelemente:
Keine Überdeckung = kein Punkt
Vereinzelte Überdeckung = 1 Punkt
Häufige Überdeckung = 2 Punkte
Starke Überdeckung = 3 Punkte
Inhaltliche Intention / Thema:
Wasserpflanzen im Wasser = 4 Punkte
Wasser = 2 Punkte
Wasserpflanzen = 2 Punkte
Urwald = 0 Punkte
Bei strittigen Fällen = 1 Punkt
aus: Otto, Gunter: Das Problem der Zensur im Kunstunterricht. In: Otto, Gunter: Kunst als Prozeß im Unterricht, Braunschweig (Westermann) 1964/1969, S. 142-160

Gegen so viel rückwärtsgewandte Subjektivität setzte der "formale Kunstunterricht" der 1960er Jahre Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Gunter Otto stellte sich dem "Problem der Zensur im Kunstunterricht" (Otto 2 1969, S. 217ff.) mit einem ausgeklügelten Punktesystem mit insgesamt sieben Kriterienkategorien, die sich nach den mit der Aufgabenstellung intendierten Lernzielen richteten. Durch die exemplarisch dokumentierte Bewertung eines Klassensatzes, hatte das Bewertungsergebnis den Anspruch von Objektivität (Otto 2 1969, S. 159f.). Die Beurteilungskriterien waren fast ausschließlich formal, so wurden beispielsweise mit den Deckfarben des Wasserfarbenkastens gemischte Grün-Töne ausgezählt; man erfasste bis zu 65 Mischtöne in einem Bild. (Hier ließe sich bereits ein gerüttelt Maß an Willkür vermuten.) Oder Formenreichtum wurde positiv bewertet (Abb. 4 u. 5). Solche auf Punkten beruhende Bewertungssysteme finden in der Kunstpädagogik bis heute Anwendung (Krause 1998). Da dieses Verfahren äußerst zeitaufwändig ist, hat es sich aber in der Praxis kaum durchgesetzt, es hat jedoch sicher das Problembewusstsein vor allem in den Studienseminaren geschärft. Doch: "Wer mehrere Einzelbewertungen zusammenzählt, hat nicht unbedingt die Gesamtheit der Arbeit erfasst." (Hiebner 1985, S. 345) Denn wer leicht Operationalisierbares isoliert erfasst, wird der Komplexität einer Schülerarbeit, dem Zusammenspiel der Aspekte, nicht unbedingt gerecht. Kriterien wie Dynamik oder Originalität bleiben unberücksichtigt, wie das vergleichende Bildbeispiel zeigt.

Eine erneute Gegenbewegung formierte sich um 1970, diesmal sprach man sich vehement gegen die Überbetonung der formalen Aspekte aus. Lernziel: "Kritisches Denken" statt "Bildnerisches Denken" (Ehmer 1973, S. 6). Im Zentrum standen in der "Visuellen Kommunikation" und der frühen "Ästhetischen Erziehung" die Inhalte, die die Schülerinnen und Schüler beispielsweise in ihren Zeichnungen mitteilten. Die Beurteilung und Bewertung der Arbeiten erfolgte hier in der Regel innerhalb oder nach einem Unterrichtsgespräch, in dem "der Informationswert der Zeichnungen selbstverständlich besonders im Vordergrund steht, im Gegensatz zu eventuell auftretenden ästhetischen Fragen (wie z. B. gute Verteilung auf dem Blatt)." (Hinkel 1973, S. 65). Das allgemeine Leitziel Emanzipation musste herunter gebrochen werden auf Elemente, wie die Verbalisierung von Gesellschaftskritik. Doch diese Schülerleistung wurde kaum erreicht, denn "es bedurfte einiger Mühe, die Schüler zu berechtigter Kritik an schulischen Einrichtungen etc. zu animieren, da sie von zuhause mit eindeutigen – auf Wohlverhalten zielenden – Direktiven ausgerüstet waren" (ebd.); so die Erfahrung fortschrittlicher Kunstlehrer. Das Unterrichtsgespräch nahm eine wichtige Stellung im Kunstunterricht ein, es diente nicht nur der Bewusstwerdung und Reflexion, sondern bildete häufig auch die Grundlage für die Beurteilung, denn "Mitbestimmung" und "mehr Demokratie wagen" waren weitere Schlagworte der frühen 1970er Jahre, die auf diese Weise im Kunstunterricht wirkten. Noch lange beruhten Bewertungskonzepte im Fach auf dem Prinzip der "Mitbestimmung" (z. B. Knauf/ Knauf 1982, S. 134).

Lag der Unterricht der "Visuellen Kommunikation" nicht selten nahe an der Indoktrination im Unterrichtsgespräch, so kam in der "Ästhetischen Erziehung" der 1980er Jahre die Subjektivität immer stärker in den Blick, denn "intuitive, emotional gefärbte, individuelle sinnliche Zugriffsweisen sind Formen sinnlicher Erkenntnis" (Staudte 1982, S. 143). Das Dilemma lag vor über 20 Jahren und liegt sicher noch heute auf der Hand: der "strukturelle Widerspruch zwischen der pädagogischen Aufgabe des verständnisvollen, motivierenden, Subjektivität fördernden Kunsterziehers" (Staudte 1982, S. 144) und der Forderung nach distanzierender Gerechtigkeit, der Pflicht zur Neutralität in der Beurteilungssituation. Als Umgang mit diesem Dilemma wird in den 1980er Jahren vorgeschlagen, die Beurteilungssituation und all ihre Widersprüche mit Hilfe von Selbstreflexion "durchschaubar, nachvollziehbar, transparent" (ebd.) zu machen. Lösen lässt sich das Dilemma auf diese Weise freilich nicht.

In der Fachliteratur der letzten Jahre ist die Tendenz auszumachen, dass möglichst alle oben genannten Faktoren in den Beurteilungssystemen Berücksichtigung finden sollen. Kriterienkataloge werden vorgelegt, die angefangen von Ordnung und "Fleiß" (Fried 1990, S. 50) über die wissenschaftlich fundierte kritische Reflexion (Maiwald 1996) bis zu individuellen subjektiven Anteilen (Lehrplan Kunst Grundschule NRW 2003, S. 124) – heute meist "Biografieren" (vgl. K+U 280 u. 281/2004) genannt – fast alles fordern. Häufig sind diese Kriterienkataloge allumfassend (Lange 2003), um möglichst viel abzudecken. Lapidar stellen Otto/ Kirschenmann stellvertretend fest: "Bewerten ist so schwierig, weil man so viel auf einmal bewerten muss." (1998, S. 103) Wenn die Kriterienkataloge hingegen kurz sind, dann sind sie sehr allgemein oder es fehlt ihnen an Transparenz. Wie lassen sich etwa die Beurteilungskriterien "Kohärenz, Varianz, Signifikanz und Innovation" (Fried 1990, S. 52) einer Schulklasse vermitteln?

Evaluativer Ansatz

In Zeiten, in denen die Qualitätsdiskussion in Bezug auf das Bildungssystem und seine einzelnen Segmente an vorderster Stelle steht, können Lehrerinnen und Lehrer nicht Schülerinnen und Schüler bewerten ohne zugleich ihren eigenen Unterricht reflexiv zu betrachten. Wie eingangs dargelegt, ist der Unterricht selbst als Grundbedingung für die Bewertung nicht aus dem Nachdenken auszublenden, sondern integral mit einzubeziehen. (Vgl. oben die Kritik an Pfennigs "Wertgruppe C") Der eigene Unterricht und hiermit zusammenhängend die Prozesse des Bewertens sollten immer wieder neu überdacht werden (Kirschenmann/ Otto 1998, S. 103), weil ein enger systemischer Zusammenhang besteht zwischen der Lehrkraft, dem Einzelschüler, der Schulklasse und der Bewertung.

Schülerleistungen können auch als Aussagen zum Verhalten der Lehrperson verstanden werden (Aissen-Crewett 1992, S. 112f.; Andresen 1996, S. 95f.; Seydel 2003). "Wie gut haben Sie die Kinder motiviert? Waren die gegebenen Anregungen angemessen? Haben Sie die Arbeit gut organisiert? Haben Sie das richtige Medium gewählt?" (Aissen-Crewett 1992, S. 113) Das Überdenken kann beispielsweise aufgrund von Rückmeldungen aus der Klasse geschehen, aber auch durch kritische Reflexivität oder kollegiale Hospitation mit supervisionsähnlichen Ansätzen. In den Leistungen einzelner oder denen der Klasse spiegelt sich letztlich nicht unwesentlich die eigene Leistung.

Literatur

  • Aissen-Crewett, Meike: Kapitel 15, Bewertung. In: Aissen-Crewett, Meike: Kunstunterricht in der Grundschule. Braunschweig 1992, S. 112ff.
  • Andresen, Ute: Zeugnisse für alle und alles. In: Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen. Zwischen Fördern und Zensieren", 1996, S. 94-96
  • Bahr, Eberhard/ Poschul, Diethard/ Zeinert, Peter: Bewertung im Kunstunterricht. Fragen – Untersuchungen – Ergebnisse auf fachspezifischer und allgemeiner Grundlage. Frankfurt a.M. (Peter Lang) 1985
  • Bertram, Helmut: Zeugnisse im Kunstunterricht. Grundsätzliches, Fachspezifisches und Aktuelles. In: Zeitschrift für Kunstpädagogik, H. 6, 1980, S. 37-43
  • Betzler, Emil: Neue Kunsterziehung. Frankfurt a.M. (Hirschgraben Verlag) 2 1956
  • Dreidoppel, Heinrich: Das Antizeugnis. Ein Unterrichtsbeispiel aus Klasse 11. In: Kunst+Unterricht 16/1972, S. 46-51
  • Ehmer, Hermann u.a.: Wie zensiere ich? Das Problem der Zensur im Kunstunterricht. In: Kunst+Unterricht, Heft 2, 1968, S. 28-33
  • Ehmer, Hermann K.: Vorwort. In: Ehmer, Hermann K. (Hg.): Kunst / Visuelle kommunikation. Unterrichtsmodelle. Gießen (Anabas) 1973, S. 5-9
  • Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1977
  • Friedt, Anton: Keine Not mit der Note. Kunstdidaktische Anmerkungen zur Leistungsbemessung im Kunstunterricht und ein Experiment. In: Kunst+Unterricht, Heft 144, 1990, S. 48-54
  • Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen. Zwischen Fördern und Zensieren", 1996
  • Graul, Margret: Leistungsnachweis statt Standesprivileg. In: Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen. Zwischen Fördern und Zensieren", 1996, S. 128-129
  • Gudjons , Herbert: Das Unbewusste und die Macht der Prüfungen. In: Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen. Zwischen Fördern und Zensieren", 1996, S. 115
  • Hiebner, Hans-Günther: Bewertung und Benotung bildnerischer Arbeiten im Kunstunterricht. In: Menzer, Fritz (Hg.): Forum Kunstpädagogik. Festschrift für Herbert Klettke. Baltmannsweiler (Schneider Verlag) 1985, S. 335-352
  • Hinkel, Hermann: Zeichnen als Kommunikationsimpuls. Unterrichtsmodell für ein 1. Schuljahr. In: Ehmer, Hermann K. (Hg.): Kunst / Visuelle Kommunikation. Unterrichtsmodelle. Gießen (Anabas) 1973, S. 61-66
  • Kade, Jochen: Wissen – Umgang mit Wissen – Nichtwissen. Über die Zukunft pädagogischer Kommunikation. In: Gogolin, Ingrid/ Tippelt, Rudolf (Hg.): Innovation durch Bildung. Opladen (Leske+Budrich) 2003, S. 89-108
  • Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. 1790. In : http://gutenberg.aol.de
  • Kirchner, Constanze/ Otto, Gunter: Praxis und Konzept des Kunstunterrichts. In: Kunst+Unterricht, Heft 223/ 224, 1998, S. 4-11
  • Kirschenmann, Johannes/ Otto, Gunter: Werten, Begutachten, Ermutigen. In: Kunst+Unterricht, Heft 223/224, 1998, S. 100-103
  • Knauf, Anne / Knauf, Tassilo: "… damit ich weiß, wie gut ich bin". In: Kunst+Unterricht, Sonderheft 1982, S. 133-134
  • Krause, Wolfgang: "Es führt kein Weg dran vorbei". Zur Bewertung praktischer Schülerarbeiten im Fach Kunst. In: Kunst+Unterricht, Heft 223/224, 1998, S. 104ff.
  • Lange, Marie-Luise: Das Problem der Bewertung. In: Lange, Marie-Luise: "… it happens …" Kreuzfahrten des Performativen, Kunst+Unterricht 273/ 2003, S. 8
  • Legler, Wolfgang: Ermutigung und künstlerischer Anspruch. In: Bund Deutscher Kunsterzieher, Landesverband NRW (Hg.): "Schüler verstehen". Reader zum Kunstpädagogischen Landeskongreß des BDK-NRW im Oktober 1989 in Düsseldorf. BDK-Text 25. o. A. 1989, S. 64-85
  • Maiwald, Klaus-Jürgen: Mit Picasso in die Prüfung. Ein Beispiel aus der Abiturpraxis im Fach Kunst. In: Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen", 1996, S. 116-119
  • Mantey-Bail, Hilmar: Prozesse und Produkte. Überlegungen zur Benotung im Fach Kunst in der Grundschule. In: Kunst+Unterricht, Sonderheft 1982, S. 135-136
  • Meder, Oskar: Prüfung als Ritual. Oder: Zurichtung durch Zugerichtete. In: Pädagogik, 1. Beiheft 1993, S. 47-51
  • Otto, Gunter: Das Problem der Zensur im Kunstunterricht. In: Otto, Gunter: Kunst als Prozeß im Unterricht, Braunschweig 2 1969, S. 142-160
  • Otto, Gunter: Anmerkungen zur aktuellen Problematik von Leistung und Zensur – nicht nur im Kunstunterricht. In: Kunst+Unterricht 16/1972, S. 43-45
  • Otto, Gunter/ Peters, Maria: Beurteilen – wo es besonders schwer scheint? Bewertung von Prozessen und Produkten in einem Leistungskurs Kunst. In: Friedrich Jahresheft "Prüfen und Beurteilen. Zwischen Fördern und Zensieren", 1996, S, 22-23
  • Otto, Gunter: Johann-Christian zeichnet ohne "Ausmessungskraft". Zeichnen und Zeichenunterricht im 19. Jahrhundert – und vorher. In: Kunst+Unterricht, Heft 228, 1998, S. 16
  • Peez, Georg: Über ästhetische Prozesse reflektieren, ein ästhetisches Urteil bilden. Empirische Wirkungsforschung anhand von Aussagen eines 12-jährigen Schülers. In: BDK-Mitteilungen, 2/ 2003, S. 34-36
  • Pfennig, Reinhard: Beurteilung und Bewertung. In: Pfennig, Reinhard: Gegenwart der bildenden Kunst. Erziehung zum bildnerischen Denken, Oldenburg 5 1974, S. 180-182
  • Richter, Hans-Günther: Eine Geschichte der Ästhetischen Erziehung. Niebüll ( Verlag Videel) 2003
  • Schuster, Ulrich: Müssen bayrische Abiturienten sich vor Drucksachen bebeuysen? Kommentar zum Kunst-Abitur 2001 (hierzu auch weitere Kommentare und Links). In: http://www.kusem.de/lk/abi/abi.htm (Datum des Zugriffs: 15.04.04)
  • Seydel, Fritz: Beurteilen lernen. Diskussionsbeitrag zu einem leidigen Thema: Zensuren im Kunstunterricht. In: BDK-Mitteilungen, Heft 1, 2003, S. 34-35
  • Sievert, Adelheid: Kinderarbeiten bewerten – ja aber mit Sinn. In: Die Grundschulzeitschrift 135, 136/2000, S. 60-61
  • Staudte, Adelheid: Subjektivität als Problem oder als Chance. Leistungsbeurteilung in der ästhetischen Erziehung. In: Kunst+Unterricht, Sonderheft 1982, S. 137-144

Bibliografische Angaben zu diesem Text:
Peez, Georg: Beurteilen und Bewerten im Kunstunterricht. In: Kunst + Unterricht, Heft 287, 2004, S. 4 – 11


Bewerten im Kunstunterricht. Vier Methoden

Georg Peez

Ästhetisch motivierte Entscheidungen sind im Alltag von Jugendlichen gang und gäbe. Im Bereich der visuellen Gestaltung äußert sich dies schon morgens beim Aufstehen in der Frage, welche Kleidung man anzieht. Die Dekorierung des eigenen Zimmers etwa mit Postern spielt ebenso eine Rolle wie das Thema der Körpergestaltung mit Tatoos oder Piercings. Nicht zuletzt unterliegen die fotografischen Selbstdarstellungen in SchülerVZ, MySpace oder Facebook, mit denen Jugendliche gerne experimentieren, ästhetischen Urteilen.
Die Stärkung der ästhetischen Urteilsbildung ist zweifellos ein zentrales fachliches Ziel des Kunstunterrichts. Insbesondere geht es darum, ästhetische Urteile zwischen subjektiver Empfindung und objektivierender Wahrnehmung zu verorten. Die subjektive Empfindung meint den emotionalen, individuellen Anteil einer Bewertung, wohingegen die objektivierende Wahrnehmung eher die bewussten, reflexiven und vermittelbaren Anteile markiert. Beide Aspekte fließen in ein ästhetisches Urteil ein.

Einteilung der Bewertungsmethoden

Unsere Herausforderung lautet: In der Schule müssen komplexe ästhetische Urteile – oft, aber nicht immer – in eine Ziffernzensur umgesetzt werden. Hierfür gibt es im Fach Kunst unterschiedliche Traditionen und aktuelle Methoden, die sich in drei Gruppen einteilen lassen.
1. Gruppe: Auf Spontaneindrücken bzw. Evidenzurteilen der Lehrerin/ des Lehrers beruhende Bewertungsverfahren (evident = offensichtlich, augenscheinlich) enden meist nur mit einer Note auf der Rückseite des Zeichenblockblattes. Der Vorteil für die Lehrkraft ist klar: Die Bewertung geht schnell. Vom Standpunkt der Förderung und des Nutzens von Lernchancen wiegen die Nachteile jedoch schwer: Die fehlende Transparenz erweckt den Eindruck von Willkür, denn die Benotung ist für die Schülerinnen und Schüler kaum nachvollziehbar. Und die konkreten Lernziele des Unterrichts verbleiben häufig im Hintergrund.
2. Gruppe: Mittels kriterien- bzw. kategorienorientierter Bewertungsverfahren stehen die Beurteilungskriterien deutlich im Fokus. Die Klasse weiß von Beginn an, worauf es ankommt. Häufig werden Punkte für bestimme Aufgabenbereiche vergeben. Oder es wird mit Zahlenskalen gearbeitet, die leicht zu einer Ziffernnote umgerechnet werden können. Hier dominiert die gemeinsame objektivierende Wahrnehmung vor der subjektiven Empfindung (der Lehrerin bzw. des Lehrers).
3. Gruppe: Bewertungsverfahren im reformpädagogisch orientierten, offenen Unterricht beruhen ebenfalls auf den den Schülerinnen und Schülern vorab bekannten Kriterien; meist wurden die Kriterien mit der Klasse vorab zusammen erarbeitet. Die Bewertung selbst erfolgt dann ausführlich verbal, mit Anteilen der Selbstbewertung. Die inhaltlichen, dialogischen Aspekte stehen hier im Mittelpunkt, nicht die sofort geäußerte Zahl der Ziffernnote, die dann freilich meist, aber nicht immer, auch am Ende des Bewertungsprozesses steht.
Diese Einteilung der Bewertungsmethoden ist eine idealtypische, theoretische Trennung. Für die zweite und dritte Gruppe werden im Folgenden Beispiele vorgestellt, in denen versucht wird, die Vorteile dieser beiden Verfahrensgruppen miteinander zu kombinieren.

Die "Werte-Station"

Die "Werte-Station" nach Thomas Michl (in Peez 2008, S. 22ff.) initiiert Beurteilungsgespräche zwischen Schülerin bzw. Schüler und Lehrerin bzw. Lehrer anhand zuvor vereinbarter Kriterien. Die Kriterien werden auf Blätter geschrieben und jeweils über eine Skala von 0 bis 100 Punkten gehängt. Es sollten der Übersicht halber nicht mehr als fünf Kriterien sein und sie müssen sich nachvollziehbar auf die bildnerische Aufgabenstellung beziehen. Neben den Skalen wird ein Taschenrechner angebracht, mit dem dann der Mittelwert der erreichten Punktzahl und anhand einer Umrechnungstabelle die Ziffernnote ermittelt werden kann. Fertig ist die "Werte-Station" (Abb. 1). Diese befindet sich im hinteren Teil des Klassen- oder Kunstraums. Hat eine Schülerin bzw. ein Schüler nun eine Aufgabe beendet, trifft sie/er sich mit der Lehrkraft vor der Werte-Station, pinnt das Arbeitergebnis neben die Skalen und tritt dann in einen kriterienorientierten Dialog mit der Lehrkraft ein. Der Schüler selbst setzt jeweils den Magnetstein auf die Skala nachdem er in einem intensiven Einzelgespräch mit dem Lehrer Merkmale der eigenen Arbeit in Bezug auf das jeweilige Kriterium erörtert hat. Die Kriterien können Formales (z.B. "Technik, sauberes Ausmalen") und Inhaltliches (z.B. "Eigene Einfälle, Ideen") betreffen. Im Schüler-Lehrer-Einzelgespräch wird die Kompetenz gefördert, sich seiner objektivierenden Wahrnehmung bewusst zu werden und die reflexiven und vermittelbaren Anteile ästhetischer Urteilsbildung zu schulen. Freilich kommt es auch immer wieder vor, dass die Schüler auf Gestaltungsaspekte ihrer Arbeiten hinweisen, die die Lehrkraft leicht übersehen hätte. Persönliche Anteile des eigenen Werks können so zur Sprache kommen, die nicht vor der gesamten Klasse ausposaunt werden müssen.
"Wenn man eine Bewertung mit der Werte-Station als reinen Beurteilungszeitraum begreift, ist der Zeitaufwand viel zu hoch. Stellt man aber die Intensivierung des Unterrichts durch den differenzierten Austausch über die eigene Arbeit und die vertiefte Ergebnissicherung in den Vordergrund, ist der Aufwand in jedem Fall gerechtfertigt." (Michl in Peez 2008, S. 26) Emanzipatorische Anteile und die Selbstbewertung spielen in diesem Bewertungsverfahren, das bevorzugt in fünften und sechsten Klassen anzuwenden ist und das das gegenseitige Vertrauen fördert, eine wichtige Rolle.

Der Bewertungsbogen mit "Gewichtungsfaktor"

Ein zweites Verfahren, das ebenfalls die Selbstbewertung stärken kann, ist der Bewertungsbogen, der kriterienorientiert auf alle Schülerarbeiten im Kunstunterricht der Sekundarstufe I angewandt werden kann (Peez 2008, S. 44ff.). Im Gegensatz zur Werte-Station berücksichtigt er nicht nur das gestaltete Endprodukt ("1. Praktischer Teil"), etwa in Form eines gemalten Bildes, sondern auch die Reflexion des bildnerischen Prozesses ("2. Schriftlicher Teil"), das soziale Verhalten ("3. Arbeitsatmosphäre") und die Vorstellung der eigenen Arbeit, etwa vor der Klasse ("4. Präsentation"). Die Besonderheit dieses von Sabine Nier entwickelten Bewertungsbogens ist seine Spalte für den Gewichtungsfaktor (Spalte "GF", s. Peez 2008, S. 44ff.) Mithilfe dieser Option ist der Bewertungsbogen praktisch für jeden Kunstunterricht einsetzbar. Sehr vorteilhaft ist, dass man deshalb nicht für jede Aufgabe im Kunstunterricht einen neuen Bewertungsbogen entwerfen muss! Mit dieser Absicht lassen sich auch leere Zeilen einfügen, die dann z.B. handschriftlich ergänzt werden können. "Durch diese Flexibilität eignet sich der Bogen durchaus auch zur Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler und ihrer bildnerischen Prozesse, Produkte, Reflexionen und Präsentationen – sowohl für die Einzel- als auch für die Gruppenarbeit." (Nier in Peez 2008, S. 44)

Die Portfolio-Methode

Eine Mappe mit eigenen Arbeiten zu erstellen, um bildnerische Prozesse und Produkte zu dokumentieren und zu reflektieren, ist eine der wichtigsten Bewertungsmethoden im offenen Kunstunterricht. Das Portfolio ist zwar ein in jedem Schulfach anwendbares Verfahren; es kommt aber ursprünglich aus der Kunst: nämlich die "Mappe" mit einer Auswahl künstlerischer Arbeiten, etwa für eine Bewerbung oder eine Präsentation. Kennzeichen des Portfolios ist die sehr individuelle und zugleich sachbezogene Bewertung. Die "subjektive Relation" ist hier bestimmend, also der Bezug zur einzelnen Schülerin bzw. zum einzelnen Schüler, die Ausrichtung an deren/ dessen Fähigkeiten, individuellen Lernfortschritten und durchaus auch Vorlieben. Eine Vergleichbarkeit der einzelnen Schüler-Portfolios untereinander sollte deshalb nicht an erster Stelle stehen. Doch müssen die Besonderheiten des "Prinzips Portfolio" den Schülerinnen und Schülern zunächst vermittelt werden. Diese kunst-gemäße Möglichkeit, ein individuelles Portfolio mit Bewertungs- und Selbstbewertungsanteilen zu erstellen, lässt sich sehr effektiv und für alle einsichtig im Stationenunterricht exemplarisch einüben (Abb. 2).
Man baut zum Beispiel ein Setting aus sieben Einzel-Stationen auf, in dem unterschiedliche Zeichenmaterialien zu erkunden sind, um deren Charakteristika kennen zu lernen. Etwa: Zeichenkohle, Rötelkreiden, Tusche und Federn, Edding-Marker, Blei- bzw. Grafitstifte in unterschiedlichen Härtegraden, Tinte und Rohrfeder sowie Pastellkreiden – mit jeweils geeigneten Papieren. In einem zweiten Durchgang durch diese Stationen ist eine kleine "materialgerechte" Zeichnung anzufertigen. Kurze schriftliche Hintergrundinformationen – etwa zur Gewinnung oder Zusammensetzung des Zeichenmaterials – liegen außerdem bereit. Im Portfolio sind dann die ersten Zeichenexperimente sowie die späteren Zeichnungen selbst zu sammeln. Die Aufgabe lautet konkret: "Bearbeite mindestens fünf von sieben Stationen und wähle davon die besten drei Arbeiten zur Bewertung für deine Mappe aus und begründe deine Auswahl einzeln für jede Arbeit." In einem Stationenprotokoll, das jede Schülerin bzw. jeder Schüler führt, ist aufzulisten bzw. anzukreuzen, welche Stationen der / die Einzelne bereits durchlaufen hat. Dieses Arbeitsprotokoll ist der eigenen Mappe beizulegen. Eine Variante der Aufforderung zur Zusammenstellung eines Portfolios kann lauten: "Nachdem du mindestens fünf Stationen durchlaufen hast: Suche dir jetzt drei Arbeiten heraus, die ich als Lehrer/in bewerten soll, und dann gib sie mir im Hefter ab. Erkläre bitte kurz, warum du diese drei Arbeiten ausgesucht hast!" (Dohnicht-Fioravanti in Peez 2008, S. 65ff.) Falls dieser Schritt zur Selbstbewertung für einen "Anfänger" zu unvermittelt sein sollte, können an jeder Station Fragen und Aufforderungen zur Reflexion ausgelegt werden, die zu beantworten sind; z.B. "Was ist das Besondere an diesem Zeichenmaterial? Beschreibe!" – "Was ist das Besondere an dieser Zeichentechnik? Liste Vor- und Nachteile auf!" – "Welche Motive oder Strukturen lassen sich mit dieser Zeichentechnik gut zeichnen?" So lernen die Jugendlichen, ihr Vorgehen und ihre Meinungen zu begründen.

"Individuelle Würdigungen in schriftlicher Form"

Im Zentrum der vierten, von Klaus-Jürgen Fischer entwickelten Bewertungsmethode (Fischer in Peez 2008, S. 126ff.) stehen schriftliche Rückmeldungen der Lehrerin bzw. des Lehrers an die Schülerinnen und Schüler auf ihre bildnerischen Arbeiten. Merkmal dieser Würdigungen ist der Respekt vor der Schülerin bzw. dem Schüler und ihrem bzw. seinem individuellen Ausdruck. Insbesondere verweist bereits die Bezeichnung "Würdigungen" auf diesen respektvollen Umgang, bei dem die positiven Aspekte herausgestellt werden, wobei zugleich Verbesserungsvorschläge nicht vermieden werden. Doch vor allem scheint in diesen Lehrer-Kommentaren das auf, was sonst im schulischen Unterricht leicht verloren zu gehen droht: ein Urteil aus dezidiert künstlerischer Sicht. Jede Schülerarbeit wird wie ein Kunstwerk empathisch und wertschätzend mit bewusst subjektiven ästhetischen Kunstkriterien – vor allem in Bezug auf Originalität, Mut zum Fragment oder Expressivität – abwägend beurteilt. Eine solche Würdigung lässt sich eigentlich nicht auf eine Ziffernnote reduzieren, sondern nur verbal vermitteln. Die allseits angewandten schulischen Kriterien, wie Sauberkeit in der Ausführung, gute Blattausfüllung oder Detailreichtum spielen hier kaum eine Rolle. Somit vermitteln diese "individuellen Würdigungen" häufig gerade den Jugendlichen ein positives Feedback, die den (Sekundär-)Tugenden wie Ordnung, Fleiß und Disziplin wenig genügen. Zugleich wird die Schülerin / der Schüler auch sehr direkt persönlich angesprochen. Die folgende beispielhafte Rückmeldung zu einer Schülerarbeit (Abb. 3 ) aus einer 9. Klasse, eine Monotypie (d.h. Einmaldruck), soll dies veranschaulichen.
"Jiri, du bist schwungvoll bei der Sache gewesen. Mit einem breiten Spachtel hast du zuerst die schwarze Farbe auf der Platte großzügig waagerecht aufgetragen. Dabei hast du wohl bereits den Bereich rechts oben ausgespart: ein helles Rechteck auf deinem Gesamtblatt. Eine helle, dynamische Waagerechte bildet den Horizont oder die Grundlinie, auf der du wenige Landschaftselemente mit lockerem Strich anordnest: einen Baum, der deutlich eine Palme ist, sowie Berge oder ein Felsmassiv im Hintergrund. Hiermit gestaltest du gekonnt Tiefe in deiner Monotypie: Im Vordergrund unten sehen wir einen dunklen Streifen, vielleicht Wasser oder eine Wiese. Im Mittelgrund: die helle Palme vor einem dunklen Wald. Dadurch, dass du diese Palme auf die linke Seite des Bildes setzst, schaffst du den großzügigen Ausblick in die helle Tiefe rechts. Vorder- und Mittelgrund sind dunkel, der Hintergrund ist hell: Hierdurch bekommt dein Bild zusätzlich Raum.
Ganz locker und cool bringst du rechts unter der Palme noch eine kleine, ganz helle dynamische Fläche an. Sie erinnert mich an den Rumpf eines Bootes, das am Strand liegt.
Auf deinem Bild ist dir zusätzlich etwas Bemerkenswertes gelungen: Und zwar hast du die helle rechteckige Fläche oben rechts – die zwei rechten, hellen Berge mit Himmelbereich – auf deinem Gesamtblatt ganz von selbst so angelegt und angeordnet, dass es dem Goldenen Schnitt entspricht. Der Goldene Schnitt ist die ideale Proportion in Kunst und Architektur, er steht für Harmonie und Schönheit. Er teilt das Blatt waagerecht und senkrecht jeweils in das Verhältnis von einem Drittel zu zwei Drittel. – Du hast kühn und locker ein echtes Meisterwerk geschaffen!"

Fazit

Je nach Unterrichtssituation und Lerngruppe mag die eine Beurteilungsmethode sinnvoll sein, eine andere weniger sinnvoll. Zudem lassen sich – wie an den vier vorgestellten Verfahren gezeigt – häufig Elemente unterschiedlicher Methoden auch kombinieren.
Die Entscheidung über Bewertungsmethoden – nicht nur – im Kunstunterricht unterliegt grundsätzlich vier Gütekriterien:
1. Kontext: Die Methode sollte kontext- bzw. situationsangemessen sein, z.B. hinsichtlich der Aufgabenstellung oder der Besonderheiten der jeweiligen Lerngruppe.
2. Transparenz: Die Entscheidungsfindung sollte für die Schülerinnen und Schüler stets verständlich und durchsichtig sein. Dies beinhaltet auch die Debatte, wie und warum ästhetische Normen gesellschaftlich, intersubjektiv und subjektiv entstehen.
3. Motivation: Die Ermutigung ist dem pädagogischen Ethos geschuldet. Demotivation und Kränkung sind keine adäquaten Erziehungsmittel der Schule.
4. Pluralität: Gemäß dem hier Geschriebenen sollte man nicht immer nur eine Bewertungsmethode anwenden, sondern verschiedene Verfahren einsetzen.
Selbstverständlich sollten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu angewandten Bewertungsmethoden zu äußern.

Literatur

Peez, Georg (Hg.): Beurteilen und Bewerten im Kunstunterricht. Modelle und Unterrichtsbeispiele zur Leistungsmessung und Selbstbewertung. Seelze Klett Verlag / Kallmeyer Verlag 2008


Bibliografische Angaben zu diesem Text:
Peez, Georg: Bewerten im Kunstunterricht. Vier Methoden. In: Lernchancen 74 / 2010, S. 34-39

Kommentare, Klebezettel und ein Orakel

Verknüpfung von Produktions- und Reflexionsphasen

Thomas Michl / Georg Peez

Kennzeichnend für Kunstunterricht ist das Ineinander-Greifen von Produktions- und Reflexionsphasen – sowohl einzelperson- als auch gruppenbezogen. Das Ziel der Stärkung der ästhetischen Urteilskompetenz in den Reflexionsphasen wird anhand von zwei Methoden verfolgt. Vornehmlich sind diese beiden Methoden von der Unterscheidung zwischen gegenstands- und subjektorientiertem Beurteilen geprägt.

Zum Unterrichtskontext

Grundlage des Unterrichts war die Orientierung an den durch eine Befragung ermittelten Interessen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler (Todt 1986) einer 7. Klassenstufe. Hieraus folge die innere Differenzierung nach thematisch gegliederten Projektgruppen (Otto 1994) – inhaltlich abgeglichen mit dem Curriculum.

Abb. 1 Schülerinnen und Schüler formulieren Kommentare zu den Zwischenständen der eigenen bildnerischen Arbeiten in einem Projekttagebuch. Abb. 2 Bewertung der Zwischenstände der bildnerischen Arbeiten durch Mitschülerinnen und Mitschüler.

"Intern" und "extern" orientierte Urteilsbildung

Zu Beginn und Ende der ersten beiden Doppelstunden erfolgen ca. 10- bis 15-minütige Phasen des Nachdenkens zum Stand der eigenen bildnerischen Arbeit. In diesen Etappen der Selbstreflexion (Kansy 2010) formulieren die Schüler spontan und in ganzen Sätzen (!) Kommentare in ihr Projekttagebuch (Abb. 1). Der Fokus in der folgenden Stunde liegt bei der beurteilenden Begutachtung von Werken der Mitschüler; wobei das praktische Procedere (zu Beginn und Ende der Stunde) beibehalten wird (Abb. 2). Daraufhin findet die Betrachtung exemplarischer Schülerkommentare mit den dazu gehörenden Schülerarbeiten im Klassengespräch statt. Unter dem sprachlich-formalen Aspekt stellt sich die Frage, inwieweit von jedem folgende für die ästhetische Urteilsbildung grundlegende Differenzierung – zunächst implizit und unbewusst – vorgenommen wurde:

• "extern": Handelt der beurteilende Kommentar des Schülers primär von gegenstandsbezogenen konkreten Bewertungen, in denen Eigenschaften der bildnerischen Arbeit im Mittelpunkt stehen? Zum Beispiel: "Die Idee ist gut, aber es sollten noch andere Bilder oder Figuren aufgeklebt werden." "Nach einigen Pose-Schwierigkeiten von Kathrin, gelang es uns schließlich, die perfekte Position zu finden."

• "intern": Thematisiert der beurteilende Kommentar primär subjektive Empfindungen, in denen "person-interne" Einstellungen und auch Gefühle zur bildnerischen Arbeit geäußert werden? Zum Beispiel: "Das Foto gefällt mir eigentlich ganz gut." Oder "Ich finde, dass das Bild ein bisschen zu leer ist: Aber ich finde es trotzdem beruhigend."

Die "interne" Fokussierung lässt sich identifizieren durch sprachliche Wendungen wie "Ich finde…" oder "Mir gefällt…". Wohingegen die "externe" Sicht konkret Aspekte des ästhetischen Objekts thematisiert. Häufig finden sich freilich beide Aspekte in den Schüleräußerungen kombiniert, wie etwa: "Meine Zeichnung finde ich auch gut, da sie sehr klar verständlich ist und keine überflüssigen Elemente enthält."

Nun schreiben die Schüler Beurteilungen in ihre Projekttagebücher; mit dem Unterschied kürzerer zeitlicher Abstände. Solch relativ kurze Intervalle fallen ihnen allerdings schwer, denn sie wollen sich oft nicht von ihrer bildnerischen Tätigkeit – wenn auch nur für kurz – lösen. Zugleich äußern sie verbal und mitgängig ständig ästhetische Urteile, weshalb hier die als Hausaufgabe zu verschriftlichende Aufnahme mündlicher Beurteilungen mittels der Audioaufnahme des Mobiltelefons hilft.

Das gegenstandsbezogene Beurteilen unterstützt im Gestaltungsprozess, klarer bestimmte Wirkungen des eigenen Werkes absichtlich und kriterienorientiert zu erzielen. Beim empfindungsorientierten Urteil wird den Schülerinnen und Schülern hingegen der wichtige subjektive Anteil eines ästhetischen Urteils deutlich.

Abb. 3 An der Station "Orakel" schlägt eine Zeichnerin u.a. auf Transparentpapier zeichnend Verbesserungsmöglichkeiten vor; sie wird unterstützt von einer Schriftführerin und eine Fotografin. Abb. 4 Post-its mit Vorschlägen für die Weiterarbeit an der Station "Orakel".

Station "Orakel"

In der Abschlussphase der praktischen Arbeit wird ein Gremium gebildet, das die Arbeitsergebnisse der Mitschüler behandelt. Diese sogenannte „Orakel“-Station (Abb. 3) setzt sich  zusammen aus (1) einer Zeichnerin, die auf Transparentpapier direkt über die Zeichnung Verbesserungsmöglichkeiten einarbeitet bzw. aufschreibt, (2) einer Schriftführerin, die alle wichtigen Bestandteile des Beurteilungsgesprächs protokolliert und (3) einer Fotografin, die das zu beurteilende Werk sowie die Beurteilungssituation dokumentiert. Post-its, die auf das Blatt an die beurteilten Stellen geklebt werden und Vorschläge für die Weiterarbeit enthalten (Abb. 4), komplettieren die Kombination aus sprachlich und bildnerisch vermittelten ästhetischen Urteilen.

Das Hauptaugenmerk der Station „Orakel“ (lat. „oraculum“: „Sprechstätte“; Rosenberger 2011, S. 7) liegt auf einem intensiven Gespräch mit Empfehlungen zur Fortsetzung der Arbeit. Eigene bildnerische Entscheidungen werden mittels des „Götterspruchs“ an Ort und Stelle kritisch überprüft oder auch gerechtfertigt.

Zum einen wird durch die Platzierung der Station „Orakel“ im Kunstraum der Leitgedanke der ästhetischen Urteilsbildung als wichtiges Element des Kunstunterrichts deutlich. Zum anderen werden die ästhetischen Urteile durch das „Hineinzeichnen“ auf dem Transparentpapier direkt ersichtlich. Auf der Basis dieser unmittelbaren bildbezogenen Rückmeldungen können die Schüler so die Fortführung der praktischen Arbeit gezielter vornehmen.

Literatur

Kansy, Ivonne: Selbstbewertung im Kunstunterricht. Praktizierte Ansätze und Methoden im Überblick. In: BDK-Mitteilungen 1 / 2010, S. 24–27.
Otto, Gunter: Projekte in der Fächerschule? In: Kunst+Unterricht 181/1994, S. 35–37.
Rosenberger, Veit: Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte. Darmstadt 2001.
Todt, Eberhard: Interesse haben – Interesse wecken. In: Kunst+Unterricht 107/1986, S. 33.


Bibliografische Angaben zu diesem Text:

Michl, Thomas / Peez, Georg: Kommentare, Klebezettel und ein Orakel. Verknüpfung von Produktions- und Reflexionsphasen. In: Kunst+Unterricht, Heft 373, Juni 2013, S. 18-19


Beurteilen als kulturelle Sinnpraxis

Ästhetische Urteilsbildung als Aufgabe und Forschungsfeld der Kunstdidaktik

Georg Peez

Die grundlegende Bedeutung des Ästhetischen für allgemeine Bildungsprozesse wird von Klaus-Peter Busse in der Hinsicht konkretisiert, dass das Ästhetische eine Vielzahl von sinnlichen Handlungsmöglichkeiten des Menschen bezeichnet. Dies sind unter anderem das Bauen und Konstruieren, das Musizieren, das Kleiden und das Zeichnen. In dieser Hinsicht umfassen die „Bildumgangsspiele“ die performative Ebene des ästhetischen Verhaltens. Zudem sei das Ästhetische keinesfalls auf das Künstlerische einzugrenzen, so Klaus-Peter Busse (Busse 2007, S. 212). Obwohl die Einführung von sogenannten Bildungsstandards, die Karl-Josef Pazzini "nicht operationalisierbare Könnensbehauptungen" nennt (nach Herring 2011, S. 32f.), kritisch zu sehen ist, setzt sich die Kunstdidaktik mit dieser Thematik auseinander. Ernsthaft zu fragen ist, "welchen Beitrag das Fach Kunst zu übergreifenden Standards leistet und welche Lernstandards intersubjektiv im Bereich der visuellen oder ästhetischen Literalität formulierbar sind" (Busse 2004, S. 227). Teil der Entwicklung einer "künstlerischen Haltung" (ebd.) ist die ästhetische Urteilsbildung. "Beurteilen Schülerinnen und Schüler Bildhandlungen, dann denken sie nicht nur implizite Kunstbegriffe und Voreinstellungen auf, sondern lernen kulturelle Sinnpraxis." (Busse 2004, S. 230) Hieran anknüpfend möchte ich im Folgenden selektiv und pointiert der Frage nachgehen: Wie lässt sich die Kompetenz der ästhetischen Urteilsbildung bei Schülerinnen und Schülern – wie sie inzwischen in allen Bildungsstandards und Kerncurricula des Faches Kunst genannt ist – näher eingrenzen? Welche fachspezifischen Aspekte hängen mit der Kompetenz der ästhetischen Urteilsbildung zusammen?

Präferenzforschung

Was finden Kinder und Jugendliche schön? Welche Bilder bevorzugen Heranwachsende? Was finden sie interessant? Diese Fragen stellt man sich in der Kunstpädagogik. Eine inzwischen 40 Jahre alte, doch noch häufig zitierte Studie untersuchte die Reaktionen von rund 500 Grund- und Hauptschülerinnen und -schülern der Schuljahre 1 bis 9 (also vom 6. bis 15. Lebensjahr) auf die formale und inhaltliche Gestaltung von Kunstwerken (Hinkel 1972; zusammenfassend und kritisch hierzu Kirchner 1999, S. 37ff.; Uhlig 2005, S. 135ff.). Hermann Hinkel – damals Universität Gießen, später Vorgänger von Klaus-Peter Busse in Dortmund – ging es um das "ästhetische Urteil" (Hinkel 1972, S. 138). Er fragte die jeweilige Versuchsperson "welches Bild ihr am besten gefalle" (Hinkel 1972, S. 143), nach den unbeliebtesten Bildern sowie nach der "Begründung dieser Wahl" (ebd.). Eins der damaligen Ergebnisse lautet, dass von den Kindern und Jugendlichen naturalistische Gemälde bevorzugt werden, wohingegen "unrealistische" Darstellungen "mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden" (Hinkel 1972, S. 148). Mit zunehmendem Alter sind sie nicht nur am meist subjektiv bedeutsamen Bildmotiv interessiert, sondern auch an formalen Bildmerkmalen. Die rezeptiven Bildpräferenzen korrelieren offenbar zum Teil mit den Vorlieben im Zeichnen: "Der Wunsch nach Natürlichkeit wird im 1. Schuljahr noch nicht geäußert. Er taucht im 2. Schuljahr auf und nimmt bis ins 4. stetig zu." (Hinkel 1972, S. 151) (Abb. 1). Die Kinder und Jugendlichen würden grundsätzlich "von Bildern angesprochen, die deutlich, klar und gut erkennbar sind, deren Aufbau wirklichkeitsgetreu ist und die auf kräftige und natürliche Farben zurückgreifen" (Hinkel 1972, S. 157). Auch narrative Bildinhalte würden klar bevorzugt. 1990 zweifelte Johannes Eucker aus kunstdidaktischer Sicht diese Ergebnisse an, allerdings ohne selbst empirisch geforscht zu haben (Eucker 1990, S. 2ff.).

Abb. 1 Ein Bild, wie es den Kindern aus Gießen und Umgebung in der Studie zu Beginn der 1970er Jahre gut gefiel: Hans Hoffmann (um 1530-1592) Zwei Eichhörnchen ca. 1512, Aquarell und Deckfarben auf Pergament (1972 noch Albrecht Dürer zugeschrieben)

Erst in den letzten Jahren kam es dann vorwiegend durch qualitative Fallstudien – teils im Rahmen von Präferenzforschung – zu differenzierten und anderen Ergebnissen (Mollenhauer 1996; Neuss 1999; Kirchner 1999; Uhlig 2005, 2007; Savas 2009). U. a. wurde an der Untersuchung Hermann Hinkels die eingeschränkte Bildauswahl kritisiert. Im Gegensatz zur Untersuchung von 1972 nehmen heutige Studien in der Bildauswahl Bezug zu der medialen Lebenswelt von Kindern und bieten den Probanden nicht nur Reproduktionen von Kunstwerken an. Zudem werden in Fallstudien etwa mittels Leitfadeninterviews stärker die soziokulturellen und biografischen Vorerfahrungen des einzelnen Kindes bei der Bildpräferenz fokussiert. Fragte Hermann Hinkel noch, "welches Bild" dem jeweiligen Kind bzw. Jugendlichen "am besten gefalle" (Hinkel 1972, S. 143), so lautet die heute (kunst-) didaktisch relevantere, am Bildungsprozess orientierte Frage, ob die Kinder an einem Bild Interesse entwickeln (Mollenhauer 1996; Kirchner 1999; Uhlig 2005, 2007; Savas 2009). "Das ist insofern ein wesentlicher Unterschied, als das Gefallen sich auf ein momentanes ästhetisches Urteil beschränkt, das Interesse aber einen Prozess einleitet, der den Einsatz und die Beteiligung der Person erfordert. Dahinter steht die Auffassung, dass Kunst sich nicht im Wohlgefallen erschließt, sondern in der Auseinandersetzung." (Uhlig 2005, S. 137) Auch bei der Beurteilung von Schülerarbeiten im Kunstunterricht sollte es beispielsweise nicht darum gehen, ob sie "schön" sind, sondern ob sie "interessant" sind, d. h. ob sie etwa eine intensive ästhetische Auseinandersetzung vermitteln, was auf ästhetische Bildungsprozesse hinweist (Mollenhauer 1996, S. 235ff.).

Die Ergebnisse aktueller Studien sind nicht so einheitlich wie vor 40 Jahren: "Bilder werden von (2 bis 10 Jahre alten; G.P.) Kindern vor allem dann präferiert, wenn diese für sie subjektiv bedeutsam sind und formale und inhaltliche Anknüpfungspunkte an ihre konkrete Alltags- und Lebenswelt bieten, d. h. wenn (…) Erinnerungen, (Vor-) Erfahrungen, Emotionen, Identitätsbilder, Hobbys, Träume und Wünsche in einem Bild wieder zu finden sind. Kindliche Präferenzen und Lebensweltbezüge lassen sich allerdings nicht nur im Bekannten finden, sondern auch im Neuen, Unbekannten, Nichtalltäglichen, Ungewohnten und in der Differenz entdecken." (Savas 2009, S. 50) Weitere wichtige Einflussfaktoren sind die Geschlechtsspezifik, bei jüngeren Kindern die Vorlieben der Freundinnen bzw. Freunde und nicht zuletzt der Humor (Savas 2009, S. 48f.).

Bild-Präferenzen von Jugendlichen

Studien zur Bild-Präferenz gibt es bis ins späte Grundschulalter; s. alle oben genannten Studien. Die Jugendphase ist hingegen eigentlich nicht erforscht. Anzunehmen ist, dass die medialen Einflüsse (auch kurzlebige Trends) sowie individuelle Faktoren zu einer starken Ausdifferenzierung führen, so dass die Ergebnisse keine einheitliche Richtung vorzugeben vermögen. Deshalb kann es im Folgenden leider lediglich bei Andeutungen bleiben.

• So schreibt Oliver M. Reuter über den Handygebrauch Jugendlicher, es werde darauf geachtet, "ästhetisch ansprechende Fotos oder Filme zu erstellen, um Situationen, Stimmungen oder Motive ansprechend darzustellen" (Reuter 2010, S. 5). Was konkret "ästhetisch ansprechend" für Jugendliche ist, wird jedoch nicht erörtert.

• Zu untersuchen wäre nach inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten, welche selbst erstellten Videofilme Jugendliche z. B. auf YouTube hochladen, welche Video-Favoriten angelegt werden, auch in privaten Playlists (Zaremba 2010a, S. 6f.).

• In einem aktuellen Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Zürich werden fotografische Bildpraxen von Jugendlichen untersucht. Deren Fotos zeichnen sich u. a. aus durch "gesteigerte Expressivität", sie öffnen sich "auf das Imaginative hin" oder zeigen in Schatten und Spiegelungen "ein Nachdenken über die Wirklichkeit des Bildes" (Kunz 2010, S. 32f.) (Abb. 2).

Abb. 2a u. b Fotos von Jugendlichen aus dem Forschungsprojekt "Unterwegs" der Pädagogischen Hochschule Zürich (Kunz 2010).

• Über die in eigens hierfür geschaffenen Internet-Portalen öffentlich zugängliche "visuell-bildnerische Fanprodukte" von Jugendlichen (vor allem Zeichnungen und Malerei) schreibt Jutta Zaremba: "Bei der FanArt geben Jugendliche ihre Bildkompetenzen, Medienpraxen und affektiven Ästhetiken weiter und handeln untereinander immer wieder die Bildpragmatik von Wertschätzen – Verwerfen, (…) Besprechen – Beurteilen – Bewerten aus." (Zaremba 2010b, S. 9). Auf "mangacarta.de" lässt sich die Bedeutung differenzierten ästhetischen Urteilens ablesen, hier heißt es auf der Startseite: "In unserer Galerie erwartet dich die Möglichkeit, deine fertigen Bilder zu präsentieren, ohne dass sie wie in vielen Communities zwischen lustlosen Kritzeleien untergehen werden. Im Forum bekommst du garantiert mindestens zwei konstruktive Kommentare, außerdem kannst du deine Skizzen präsentieren, Rat für Bilder einholen, an denen du gerade arbeitest (…)."

• Über ästhetische Präferenzen Jugendlicher bei der Auswahl von Bildschirmspielen berichtet Lars Zumbansen; z. B. sind dies: "die erhöhte Stofflichkeitsillusion, die übertrieben porentiefe Sichtbarkeit artifiziell erzeugter Materialoberflächen, aber auch ‚die Ästhetik der Unordnung’" (Zumbansen 2010, S. 14) (Abb. 3).

Abb. 3 Screenshot aus dem Spiel HALF-LIFE 2 (USA 2004, Sierra/ Valve, PC DVD) (aus Zumbansen 2010b, S. 4).

• Weitere Ausdifferenzierungen der Jugendkultur können hier nur erwähnt werden, wie etwa Cosplay, Gothic oder Mangas und Anime. – Klar wird: Ästhetische Werturteile sind stark (jugend-) kulturabhängig, aber stets konstitutiv vorhanden und kaum bis gar nicht erforscht.

Geschmacksbildung als kulturelle Kompetenz

Ästhetische Werturteile können auch (selbst-) reflexive Aspekte enthalten. Der Wiener Philosoph Robert Pfaller erläutert dies mit den Beispielsätzen: "Das gefällt mir, und es freut mich, dass es mir gefällt." "Das gefällt mir zwar nicht, aber das ist eigentlich traurig, und ich würde mir wünschen, dass es mir gefallen könnte." "Mir gefällt das, aber es missfällt mir, dass es mir gefällt." (Gaigg/ Hübel/ Pfaller 2010, S. 103) Hier zeigt sich das, was u. a. bei Immanuel Kant oder Pierre Bourdieu (1987) aufscheint, nämlich dass man sich mit seinen ästhetischen Urteilen nach anderen Menschen und deren Geschmack richtet. Die soziale Interaktion ist entscheidend. Ein Doppelcharakter wird sichtbar: Es geht nicht um die Eigenschaften eines ästhetischen Objekts, sondern primär um den inneren (selbst-) reflexiven Vorgang.

Kunstunterricht findet stets als kommunikative Interaktion in der Klasse oder im Kurs statt. Dem Ganzen wohnt – von der Kunst aus, aber auch von der Gruppe aus – eine gewisse Plastizität, Dynamik und Chance zur Weiterentwicklung inne. Zugleich spielt natürlich auch die (soziale) Distinktion eine Rolle: Mein Geschmack kann mir deshalb Lust verschaffen, weil er sich von anderen Geschmäckern unterscheidet oder umgekehrt: mit diesen übereinstimmt. In beiden Fällen bietet er aber eins, nämlich den "Genuss des Urteilens" und damit "die Gelegenheit zur Subjektwerdung" (Gaigg/ Hübel/ Pfaller 2010, S. 107). Dieser Gedankengang ist für den Kunstunterricht von hoher Relevanz, denn der "Geschmack funktioniert als Subjektbildner", so Pfaller (ebd.). Folgendes wäre dann ein Ziel des Kunstunterrichts in Bezug auf die ästhetische Urteilsbildung: Stets bieten Kunst und Kultur die Chance, nicht zu verharren, sondern ihr bei gewissen „Ausreißversuchen“ aus dem traditionellen Geschmack zu folgen; denken wir in diesem Sinne an die vielen Kunststile des späten 19. und des 20. Jahrhunderts (z. B. Dadaismus oder Pop-Art) oder subkulturelle Ausdrucksformen. Aufgabe des Kunstunterrichts wäre es dann, "Kontexte zur Vermittlung von einsehbaren Zusammenhängen" (Bering 2008, S. 2) herzustellen, um kommunikativ die Subjektbildung zu unterstützen. Die Kompetenz, ein ästhetisches Urteil in diesem Sinne (selbst-) reflexiv bilden zu können, würde demnach im Mittelpunkt des Kunstunterrichts stehen. Es ginge nicht darum, ein bestimmtes Urteil zu haben oder sich anzueignen, wie noch in der Erziehung zum „guten Geschmack“ in den 1960er Jahren (Meyers 1966) (Abb. 4). Auf der Meta-Ebene geht es nicht um die Inhalte (Welche Merkmale hat guter Geschmack?), sondern um die Kompetenz, ein ästhetisches Urteil (selbst-) reflexiv bilden zu lernen.

Abb. 4 Im Jahre 1966 trat der Frankfurter Kunstpädagoge Hans Meyers stellvertretend für die Richtung der Musischen Bildung eine "Didaktik der Formerziehung" ein (Meyers 1966, S. 89): "Die Materialwirkungen des Porzellans kommen am reinsten zum Ausdruck, wenn jeder zusätzliche Dekor entfällt." (ebd. S. 64) "Ich habe immer wieder festgestellt, dass es schon zehn- oder elfjährigen Kindern gelingt, eine innerlich wahre von einer verlogenen Form zu unterscheiden, wenn man ihnen die Merkmale zu Anfang klar und drastisch genug herausstellt. (…) Gut können sie formschöne Vasen, Kaffeekannen und Tassen, Stühle und Schränke von formverwilderten unterscheiden. (…) Nur bewusste Lenkung setzt diese Kraft im Menschen in Bewegung." (Meyers 1966, S. 112)

Das Fällen, Austesten und Verteidigen von ästhetischen Werturteilen, das permanent und unterschwellig in Kunstunterricht geschieht, ist also legitimativ als zentrales fachspezifisches Kompetenzfeld des Kunstunterrichts bewusst zu machen und kultivieren.

Selbstbewertung im Kunstunterricht zwischen Kompetenzorientierung und Bildungsanspruch

Die übergreifende Bedeutung und Komplexität der Thematik ästhetischer Urteilsbildung ist Ausgangspunkt der hier dargelegten Erörterungen und soll nun abschließend exemplarisch auf kunstdidaktische Methoden der Selbstbewertung im Kunstunterricht bezogen werden. Im Element der Selbstbewertung – als Teil eines Beurteilungsprozesses von Schülerleistungen – zeigt sich ganz offensichtlich die ästhetische Urteilsbildung als eine zu fördernde und zu erwerbende Fähigkeit im Kontext der Selbstbildung.

Zwei konträre Positionen, die sich im gegenwärtigen pädagogischen Diskurs abzeichnen, können rahmend verortet werden:

(1) Wie im gesamten Erziehungssystem, so auch in der Kunstdidaktik, verweist man seit dem "PISA-Schock" im Jahre 2000 Bezug nehmend auf sogenannte Bildungsstandards und die "Output-Orientierung" auf die Bedeutung übertragbarer und nachhaltiger Kompetenzen – im Gegensatz zu den früher anvisierten Lernzielen (vgl. die kunstpädagogische Diskussion in Kirschenmann/ Schulz/ Sowa 2006, S. 278; Lindström 2008; Billmayer 2008; Bering/ Höxter/ Niehoff 2010). So heißt es u. a. entsprechend in den Standards des BDK, Fachverband für Kunstpädagogik, für den mittleren Schulabschluss unter dem Stichwort "Werten":

"• sachbezogene Gespräche über Bilder (auch eigene) führen,

• Deutungen am jeweiligen Bild belegen, die Deutung in der Diskussion vertreten und bewerten,

• eigene Wertungen von Bildern begründet vertreten." (BDK-Mitteilungen 3/2008, S. 4; s. auch Kunst+Unterricht 341/2010, S. 11). Wenn die Kunstpädagogik zukünftig verstärkt von den Kompetenzen her zu denken sein wird (Schoppe 2008) – und eine derzeitige Überarbeitung vieler Richtlinien in den Bundesländern legt dies nahe – , dann rückt die "Entwicklung von Beurteilungskompetenz" (Seydel 2007, S. 8) immer deutlicher als wichtige Fähigkeit in den Mittelpunkt. Doch was ist hiermit genauer gemeint? "Bildkompetenz", so Fritz Seydel, werde längst zu den Schlüsselkompetenzen gezählt. Bildkompetenz enthält das Merkmal "Bilder im Kontext beurteilen" zu können, d.h.

• "hinsichtlich bildnerischer Qualitäten, ihrer stilistischen Zuordnung, Wirkung";

• "hinsichtlich ihrer Geschichtlichkeit" und

• "hinsichtlich ihrer Relevanz für den eigenen Bildervorrat Bilder auf ihre Verwendung hin untersuchen" (Seydel 2008, S. 425). In dieser Aufzählung klingt freilich der Funktionalismus der Kompetenzorientierung stark durch.

(2) Kritiker markieren deshalb eine gegensätzliche Position: Das, was mit Kompetenz gemeint ist, wird nämlich nicht vom Individuum her bestimmt, sondern ökonomisch und bildungspolitisch von beruflichen Anforderungen und zukünftigen Tätigkeiten her. An dieser Stelle soll hingegen – nicht zuletzt im Anschluss an Friedrich Schiller – der subjektorientierte, allgemein- bzw. selbstbildende Anspruch ästhetischer Urteile durch die Elemente der Selbstbewertung herausgestellt werden. Doch auch wenn der Kompetenzbegriff vielfach deutlich abgelehnt wird (Krautz 2010) und vom "Bluff der Kompetenzorientierung" die Rede ist (Tagung "Bildungsstandards auf dem Prüfstand", Universität zu Köln im Juni 2010), da die Kompetenzorientierung zur Unmündigkeit führe, soll die Kompetenzdiskussion nicht ignoriert werden. Angesichts der gegenwärtig vielfach vorgenommenen Überarbeitung u. a. der Kerncurricula und Schulcurricula wird dieser Aspekt zumindest im Folgenden deutlicher problematisiert und die Gefahren einer unkritischen Kompetenzorientierung werden angesprochen.

Der Kompetenz- und Qualifikationsbegriff steht also in einem Spannungsverhältnis zu einem Verständnis von Bildung, wie es seit dem Neuhumanismus des 19. Jahrhunderts (Humboldt) die Diskussionen um das Lehren und Lernen in Deutschland bestimmt. Immer wieder aktualisiert, ist der Bildungsauftrag der Schule im heutigen Verständnis dadurch geprägt, dass er die Dimensionen Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität als wesentliche Grundfähigkeiten benennt, die mittels Bildungsprozessen zu fördern sind (in Berufung auf Wolfgang Klafki: Duncker 2007, S. 14) (Abb. 5). Dieses Merkmal unterstreicht den Bildungsaspekt in Form einer Allgemeinbildung und auch das Element der Solidarität.

Abb. 5 "Wenn wir über einen Gegenstand ein ästhetisches Urteil fällen, starren wir ihn nicht einfach an und sagen: ‚Oh, wie wunderbar!’" Ludwig Wittgenstein (2000, VÄ I, § 17) … sondern wir machen uns Gedanken, reflektieren, wägen ab und beratschlagen. – Situation aus dem Kunstunterricht zwischen Wandtafel, Mona Lisa, Google-Bildersuche und Paul Klee (aus dem Unterricht von Stefan Bergmann, Oberhausen).

Die Herausforderung für Schule – und damit für den Kunstunterricht – heute lautet, wie sie sich zwischen Bildung und Qualifikation verorten kann. Zweifellos geht von Methoden der Selbstbewertung im Rahmen der ästhetischen Urteilsbildung eine Stärkung des Bildungsaspekts aus, da hier insbesondere Selbstbestimmung und Mitbestimmung bei der Aneignung von Welt ein größeres Gewicht erhalten. Denn eng festgeschriebene Ziele und Lernwege sind in diesen Erfahrungszusammenhängen nicht determinierbar. Die Gefahr des Qualifikationsgedankens, dass nur gelehrt und gelernt wird, was extern überprüft werden kann (vgl. Kunst+Unterricht 341/2010 "Bildkompetenz – Aufgaben stellen"), widerspricht dem Bildungsgedanken. Doch auf der anderen Seite werden von den Verfechtern einer an Bildungsstandards orientierten Kunstpädagogik ebenso die Kompetenz zur Selbstbewertung und das ästhetische Urteilsvermögen als zentral proklamiert: "Gerade für gestalterische Arbeit, bei der dauernd Entscheidungen getroffen werden müssen, ist die Fähigkeit zur Einschätzung der eigenen Arbeit unerlässlich." "Die Schülerinnen und Schüler sollen deshalb lernen, ihre eigenen Fähigkeiten und ihr eigenes Lernen zunehmend selbst einzuschätzen." (Billmayer 2008, S. 165).

Nachvollziehbar wird, warum der Gießener Erziehungswissenschaftler Ludwig Duncker mit pragmatisch orientiertem Blick auf die Schule für beides plädiert, dass nämlich das Spannungsverhältnis von Bildung und Qualifikation nicht im Sinne von einer der beiden Seiten aufgelöst werden kann (Duncker 2007, S. 17), sondern dass es Schule heute elementar prägt. Der Gedanke, das ästhetische Urteilsvermögen zu stärken, ist für beide Konzepte grundlegend.

Vorläufiges Fazit

Das Element der Selbstbewertung hat zweifellos eine methodische Tradition im Kunstunterricht (Kansy 2010, S. 24). Zur Förderung des ästhetischen Urteilsvermögens braucht es fachspezifische Unterrichtsmethoden (Peez 2008). Mittels dieser Methoden und deren Anteil an Selbstbewertungsaspekten lässt sich das Vermögen einer differenzierten ästhetischen Urteilsbildung begünstigen und entwickeln. Planen, so Klaus-Peter Busse, heißt "für Schülerinnen und Schüler zugleich Mitplanen, Inhalte des Kunstunterrichts werden begründet und in den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen verortet, ‚Vorhersehbares‘ (sicheres Wissen und Standards) wird vermittelt und ‚Unvorhersehbares‘ ermöglicht, Wahrnehmungen öffnen und verändern sich" (Busse 2008, S. 3). Innerhalb der Bildumgangsspiele nimmt die Leistungsbewertung, und hierin eingeschlossen die Anteile der ästhetischen Urteilsbildung, einen wichtigen Platz ein. Für die Kunstdidaktik stellt sie ein bedeutsames und – wie gezeigt wurde – weites Forschungsfeld dar.

Literatur

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Bibliografische Angaben zu diesem Text:

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